Pressemitteilung | 03.12.2019

Verkehrswende und Wirtschaft – Wie alle dabei gewinnen

Pressemitteilung

Eine intelligent modulierte Verkehrswende bedeutet bessere Mobilität für alle. Gerade der Wirtschaftsverkehr kann umweltschonender und effizienter werden. Ein Blick über den Münchner Tellerrand lehrt, dass Handel, Handwerk und Gastronomie gerade in Innenstadtlagen erheblich profitieren können, wenn einige Rahmenbedingungen entsprechend gestaltet werden.

Dies wollen wir in 4 Thesen darlegen:

1. Internationale Vergleiche zeigen, dass Handel, Handwerk und Gastronomie von einer Reduzierung des Autoverkehrs im Innenstadtbereich profitiert

Die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs z.B. in Innenstädten führt für Geschäfte nicht zu Umsatzeinbußen – sie profitieren häufig sogar. Dies zeigt eine Reihe von Studien und Erfahrungen. In Toronto z.B. hat der Wegfall von Parkplätzen zugunsten von Radspuren zu einer Umsatzsteigerung des Einzelhandels geführt. Auch in Wien hat sich die Einrichtung von Begegnungszonen positiv auf das Geschäft ausgewirkt. Ebenso hat die Reduzierung des Autoverkehrs in Madrid zu einem Einkaufsboom geführt. Und auch in Deutschland bestätigt sich diese Erfahrung wie etwa bei der Sperrung von zwei Innenstadtstraßen in Hamburg für ein halbes Jahr.

Fazit der internationalen Erfahrungen ist: (Auto-)Verkehrsreduzierte Innenstädte veröden nicht, sondern werden attraktiver. Geschäfte in diesen Lagen können durch den Erlebnischarakter dieser Zentren der Konkurrenz des Onlinehandels besser trotzen. Gerade Geschäfte in kleineren Innenstadtstraßen abseits der großen Fußgängerzone können von der neuen Laufkundschaft profitieren, die durch eine attraktive Gestaltung des öffentlichen Raums angezogen wird. Für spezielle (Kunden-)Gruppen sollten besondere Lösungen angeboten werden wie Zufahrtsberechtigungen und Parkplätze für Mobilitätseingeschränkte, Rikschas oder ein kostenloses E-Mobil für Personen, die nicht so gut zu Fuß sind, wie den „Kavalier“ in der autofreien Innenstadt von Ljubljana. Schließlich sind Sonderlösungen für die Zugänglichkeit von Hotels zu konzipieren.

2. In für privaten Autoverkehr (außer Anwohnende und Mobilitätseingeschränkte) gesperrten Innenstädten kann der Wirtschaftsverkehr besser abgewickelt werden.

Eine „Autofreie Innenstadt“ (unter der wir einen größeren Umgriff als nur den der Altstadt verstehen) würde bedeuten, dass dem Privatverkehr außer für Anwohnende und Mobilitätseingeschränkte sukzessive keine Zufahrt mehr gewährt wird. Der Wirtschafts- und Lieferverkehr wäre weiter zugelassen und könnte aufgrund der reduzierten Kfz-Mengen von einem besseren Verkehrsfluss profitieren. Außerdem ständen Flächen zum Ent- und Beladen unproblematischer zur Verfügung.

Die Hamburger Erfahrung eines temporär autofreien Innenstadtareals zeigt etwa: „Der Lieferverkehr, auf den immer alle schimpfen, ist gar nicht so schlimm. Den kann man in drei Stunden locker abwickeln, wenn der private Verkehr nicht die Abladeflächen blockiert.“ In München hat der Prasident der Handwerkskammer Franz Xaver Peteranderl sogar gefordert, die Anwohnerparkplätze im Innenstadtbereich zugunsten des Handwerks zu streichen. Richtig ist daran, dass im Konzept einer weitgehend autofreien Innenstadt aufgrund des radikal reduzierten privaten Besucherverkehrs in den Parkhäusern mehr Platz für Anwohnende entstünde und an der Oberfläche insgesamt deutlich weniger Parkplätze notwendig wären. All das würde den Verkehr für Handel und Handwerk enorm erleichtern. Zeitverlust durch Stau und Parkplatzsuche würden der Vergangenheit angehören – durch reduzierten Gesamtverkehr und großzügig ausgewiesene Lieferzonen.

3. Ausgeweitete und besser konzipierte Lieferzonen können die Bedürfnisse des Wirtschaftsverkehrs befriedigen

Parkplätze fallen nicht nur im Zuge einer weitgehend autofreien Innenstadt weg. Auch andere Maßnahmen der Verkehrswende wie die Erweiterung des Raums für Fuß- und Radverkehr sowie die Verbesserung der Aufenthaltsqualität im öffentlichen stellt sich hier die Frage, wie dann ausreichend Halte- und Parkmöglichkeiten für den Wirtschaftsverkehr ermöglicht werden können. Ein prominentes und aktuelles Beispiel ist der neue Radweg in der Fraunhoferstraße. Hier, wie im gesamten Stadtraum, sind drei Elemente eines verbesserten Konzepts für Lieferzonen notwendig:

a) Bestehende Lieferzonen müssen besser kenntlich gemacht werden;
b) Lieferzonen müssen besser kontrolliert werden, damit vermieden wird, dass nicht berechtigte Kraftfahrzeuge sie blockieren;
c) neue Lieferzonen sollten möglichst als temporäre kurzfristige Parkmöglichkeiten auf deutlich erweiterten Bürgersteigen ausgewiesen werden.

4. Ein sukzessiv auf Elektromobilität umgestellter Wirtschafts- und Lieferverkehr trägt zu Klimaschutz und Luftreinhaltung bei

Die Reduzierung des privaten Kfz-Verkehrs dient auch dem Klimaschutz und der Luftreinhaltung. Mit dem Umstieg auf Elektromobilität kann auch der kommerzielle Verkehr einen Beitrag hierzu leisten:

a) Die Programme zur finanziellen Förderung von Elektromobilität ( E-Pedelecs und E-Autos) sollten überprüft und ggf. ausgebaut werden. Das Förderprogramm Elektromobilität läuft bis Ende 2020.

b) Andererseits ist es dringend nötig, bei Lieferdiensten für die sog. letzte Meile den im Rahmen von City2Share aufgesetzten Modellversuch mit Mikro-Depots, in denen die Pakete gesammelt und dann mit Elektro-Lasten-Pedelecs an die Kund*innen ausgeliefert werden, qualitativ und quantitativ massiv auszubauen. Hierbei kann auch auf die Vorschläge in dem Empfehlungspapier „Neue Konzepte des (E-) Lieferverkehrs in den Städten – Ergebnisse aus dem Städtenetzwerk des Forschungsprojektes ‚City2Share‘“ zurückgegriffen werden. Weitere innerstädtische Standorte neben dem am Glockenbach sowie eine Ausdehnung auf neu überplante Siedlungsgebiete (neben Freiham etwa auch im Bereich der SEM Nordost) sind hier sinnvoll (möglichst auf privaten Flächen).

Neben der quantitativen Ausdehnung sind aber auch qualitative Weiterentwicklungen zu prüfen wie z.B. die verstärkte Kombination mit dem Verleih von Elektro-Lastenrädern, das Ziel anbieterübergreifender Lösungen sowie die Privilegierung dieses Angebots im Straßenraum. Im Empfehlungspapier heißt es dazu: “Halteverbote, Lieferzonen, zeitliche und fahrzeugbezogene Zufahrtsregelungen und Ausnahmegenehmigungen sind wichtige Instrumente zur Steuerung des Wirtschaftsverkehrs im Straßenraum”. Dabei wird Bezug genommen auf das Papier der IHK Oldenburg. Auch sind die im Empfehlungspapier genannten Referenzbeispiele aus anderen Städten als Anregungen heranzuziehen (www.kiezkaufhaus.de in Wiesbaden, distribut-e.de in Berlin-Charlottenburg, Seestadt Aspern in Wien mit professionellem Einkaufsstraßenmanagement).