Pressemitteilung | 24.06.2009

Rede von Siegfried Benker

Rede von Siegfried Benker
zum Öffentlichen Gelöbnis der Bundeswehr auf dem Marienplatz am 30. 7. 2009
in der Vollversammlung vom 24. 6. 2009

(Wegen der großen Unruhe im Sitzungssaal war es teilweise schwierig alles zu sagen und vor allem alles zu verstehen. Es gilt wie immer das gesprochene Wort – aber das hier ist der Text wie er sein sollte und im Großen und Ganzen auch war)

Die Bundeswehr will mit dem Gelöbnis ein Ja zur Bundeswehr ohne Wenn und Aber – wir haben als Grüne aber viele Wenn und Aber.

Die Grünen kommen aus einer antimilitaristischen Tradition. Wir nehmen für uns nach wie vor eine große Militärferne in Anspruch – und wir haben den tiefen Glauben, dass militärische Einsätze Krisenherde in der Regel nicht beruhigen können. Siehe Afghanistan.

Aber wir wissen auch : Grüne haben nach heftigen Debatten Kriegseinsätzen zugestimmt und die Grünen sind im Bundesprogramm nach wie vor der Ansicht, dass unter bestimmten Bedingungen: Einsätze, von der UNO beschlossen, auch in Zukunft möglich sein sollen.

Die Stadtratsfraktion von Grünen und Rosa Liste hat intern diskutiert, wie wir mit dem Gelöbnis umgehen sollen. Und wir hatten alle Positionen vertreten: Von der strikten Ablehnung eines Gelöbnisses bis hin zur Begrüßung desselben.

Zu unserer Position heute deshalb einige Vorbemerkungen:

1. Wir führen heute keine Debatte: Bundeswehr ja oder nein. Auch keine Debatte: Raus aus der Nato etc. Diese Fragen haben die Grünen vor Jahren nach bitteren Kämpfen entschieden. Es ist ein Ja zur Bundeswehr und ein Ja zu Auslandseinsätzen beschlossen worden, wenn sie bestimmten Kriterien genügen. Wir argumentieren also nicht mehr von einem rein pazifistischen Standpunkt aus. Dieser Konflikt hat die Grünen tief erschüttert Aber diese Diskussion ist für die Grünen entschieden, zeitweise haben wir 50% unserer Mitglieder verloren.

2. Wir diskutieren eigentlich – und jetzt sage ich schon eigentlich und begründe nachher auch warum – nicht über aktuelle Auslandseinsätze wie in Afghanistan. Ich selbst und ein Teil meiner Fraktion sind überzeugte Gegner solcher Auslandseinsätze. Da bin ich – mit anderen – schon immer und auch gegen die eigene Partei aufgetreten.

3. Wir wissen selbstverständlich, dass die Bundeswehr den Traditionsbruch mit dem NS-Regime/Wehrmacht vollzogen und geschafft hat. Ansonsten wären alle Plätze in München belastete Plätze. Ich bedanke mich bei OB Ude, dass er in den Vorverhandlungen deutlich gemacht hat, dass Königsplatz und Odeonsplatz nicht in Frage kommen.

4. Wir wissen selbstverständlich auch, dass die Bundeswehr eine Armee ist, über deren Einsätze, jedenfalls im Großen und Ganzen (BVerfG-Urteile lassen da einigen Spielraum), das Parlament entscheidet. Die Bundeswehr muss sich also die politische Linie, die in Berlin herrscht und die sie nach Afghanistan etc. schickt nicht zurechnen lassen. Kritik am Gelöbnis geht also auch nicht an den einzelnen Soldaten, der auch unter Lebensgefahr seinen Dienst versieht. Die einzelne Strategie, dass sei hier schon gesagt, muss sich die Bundeswehr aber selbstverständlich zurechnen lassen.

Es zeigt sich aber auch, dass über die Rolle der Bundeswehr spätestens seit der Wiedervereinigung kein gesellschaftlicher Konsens mehr besteht. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr sind ja nicht nur bei den Grünen umstritten, sondern spalten die Gesellschaft deutlich und tief. Und hier setzt die Kritik am Gelöbnis im öffentlichen Raum an: So ein Gelöbnis will öffentliche Gefolgschaft erzwingen, wo eigentlich tiefer Dissens herrscht. Nicht Dissens zur Bundeswehr, aber tiefer gesellschaftlicher Dissens zur Rolle der Bundeswehr nach 89. Zur neuen Nato-Strategie, zu den Auslandseinsätzen, zum völkerrechtswidrigen Einsatz der Bundeswehr im Kosovo, zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren wie zuletzt bei den Protesten gegen den G8 Gipfel in Heiligendamm, zur Erlaubnis entführte Flugzeuge abzuschießen, zum Einsatz gegen Piraten etc.

Jetzt kommt ein Gelöbnis im öffentlichen Raum, am Marienplatz – und das will einen Konsens zur Rolle der Bundeswehr erzwingen, der nicht da ist. Alle sollen sich jetzt hinter die Bundeswehr und das Gelöbnis stellen und so tun, als ob es die heftigen Debatten, die regelmäßig auch vor dem Bundesverfassungsgericht ausgetragen werden – wo auch Vertreter, ich glaube aller Parteien, regelmäßig klagen – nicht gäbe.

Das ist die politische Aussage dieses Gelöbnisses: Stellt Euch hinter die Bundeswehr ohne Wenn und Aber. Und dazu bin ich nicht bereit – und viele andere Grüne auch nicht. Nicht, weil wir die Bundeswehr nicht akzeptieren würden, sondern weil wir nicht akzeptieren, dass die Bundeswehr durch das Gelöbnis Politik macht und die Gesellschaft auffordert, viele Dinge zur Rolle der BW auszublenden.

Und da bekommt das Gelöbnis eine eigene politisch Aussage. Es ist ja eine Demonstration von der Bundeswehr gefordert und lange gewollt. Es ist ja keine neutrale Veranstaltung und auch nicht so gedacht. Und hier kommt das „eigentlich“ von oben wieder ins Spiel: Eigentlich sprechen wir heute nicht über die Auslandseinsätze der Bundeswehr – aber mit der Konsenserzwingung durch das öffentliche Gelöbnis sind alle Konfliktthemen – wie Auslandseinsätze – eben doch mit gemeint. Und da fordert die Bundeswehr einen gesellschaftlichen Konsens, wo gesellschaftlicher Dissens herrscht. Dass es um Konsenserzwingung geht, sieht man schon daran, wie sehr hier die CSU und die FDP eben dies einfordern. Schon funktioniert dieses im Kern politische Vorhaben der Bundeswehr.

Und dieses sich hinter der Bundeswehr unterstützend zu versammeln und das einzufordern, das ist die Militarisierung des öffentlichen Raumes, wie ich sie ablehne. Die Militarisierung des öffentlichen Raumes will die Gefolgschaft der gesamten Gesellschaft erzwingen. Alle müssen auf einmal Ja zur aktuellen Bundeswehrrolle sagen. Das war schon immer so.

Und jetzt kommt die Frage, ob all diese Voraussetzungen dazu führen müssen, dass man ein Gelöbnis im öffentlichen Raum auch noch begrüßen muss, wie es die Vorlage des Oberbürgermeisters fordert. Und da sage ich ganz eindeutig Nein. Das ist auch der gemeinsame Nenner in der Fraktion. Deswegen wird die Fraktion nur zur Kenntnis nehmen, dass es stattfindet, aber wir werden es nicht auch noch begrüßen.

Deutlich sagen möchte ich auch, dass wir den Aufruf zu den Protestaktionen gegen das Gelöbnis nicht unterzeichnen. Eine Formulierung wie „Das Gerede von den humanitären und friedenschaffenden Einsätzen täuscht nicht darüber hinweg, dass in der Bundeswehr das Mordhandwerk gelehrt und gelernt wird, um Krieg gegen andere Länder zu führen“ werden wir selbstverständlich nicht mittragen.

Die Grünen sind in dieser Frage gespalten, das ergibt sich aus der Geschichte der Grünen, wie ich sie am Anfang aufgezeigt habe. Einige – wie beispielsweise ich – werden an dem Tag protestieren, andere werden evtl. am städtischen Empfang teilnehmen.

Sie sehen, wie schwierig diese Frage für die Grünen ist, deshalb werden wir zwar geschlossen gegen die vom OB geforderte „ausdrückliche Begrüßung“ der Durchführung des Gelöbnisses auf dem Marienplatz stimmen, aber bei der Gesamtabstimmung getrennt abstimmen.