Antrag | 22.01.2019

Räumungen von Wohnstätten obdachloser Menschen während der Kältewelle stoppen

Dringlichkeitsantrag
für die Vollversammlung am 23. 01. 2019

1) Die Münchner Stadtverwaltung verzichtet aufgrund der derzeitigen Kältewelle auf die für diese Woche geplante ordnungsrechtliche Räumung der Wohnstätte obdachloser Menschen in der Unterführung unter der Kapuzinerstraße.

2) Die Münchner Stadtverwaltung stoppt bis auf Weiteres sämtliche ordnungsrechtliche Räumungen von Wohnstätten obdachloser Menschen und erarbeitet eine konsistente Gesamtstrategie bei ausreichender   Berücksichtigung freiwilliger Obdachlosigkeit und bestehender Mängel des städtischen Angebots für Wohnungslose und Obdachlose. Die Ergebnisse werden dem Stadtrat zeitnah vorgelegt.

Begründung:
Nach der Räumung der Wohnstätte obdachloser Menschen unter den Isarbrücken im November des vergangenen Jahres soll im Laufe dieser Woche die notdürftige Wohnstätte in der Unterführung Kapuzinerstraße geräumt werden.
Kritische Stimmen von den Betroffenen, die im Rahmen des städtischen Vorgehens teils mehrfach ihre freiwillig errichteten Unterkünfte sowie auch persönliche Wertgegenstände verlieren, werden dabei erneut nicht berücksichtigt. Die aktuell anstehende Räumung ist aufgrund der anhaltend niedrigen Temperaturen und den mit einer Räumung unvermeidbar verbundenen Komplikationen nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass bei Nachfrage diverser Medien seitens der Anwohnerinnen und Anwohner keine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder eine akute Gefahr für die Gesundheit der Wohnungslosen vor Ort kommuniziert wurde.
Der in diesem Kontext bereits mehrfach angebrachte Verweis der Stadt auf ausreichende Kapazitäten in den bestehenden Wohnungslosen – und Kälteschutzeinrichtungen vernachlässigt dabei mehrere zu berücksichtigende Faktoren.
Wie erwähnt fällt ein Teil der betroffenen Menschen unter die Gruppe der freiwillig Obdachlosen. Freiwillig obdachlos ist, wer selbstbestimmt und in voller Absicht ohne festen Wohnsitz auf der Straße lebt. Diese Entscheidung ist nach geltender Rechtsauffassung bei erwachsenen Menschen generell Ausdruck der grund- und menschenrechtlich geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit sowie der persönlichen Selbstbestimmung. Ein Abwägen mit weiteren Rechtsgütern wie dasjenige der körperlichen Unversehrtheit oder der öffentlichen Ordnung kann in bestimmen Fällen angebracht sein, ein pauschales Vorgehen wie im Falle der Unterführung Kapuzinerstraße ohne akute gesundheitliche Gefährdung der Wohnungslosen vor Ort oder einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ist jedoch stark zu kritisieren.
Zudem wurden seitens der Betroffenen bereits mehrfach Gründe angeführt, warum der von der Stadt angebotene Kälteschutz nicht genutzt wird. Oftmals wird eine Unterbringung gemeinsam mit fremden Menschen in Mehrbettzimmern abgelehnt. Vor allem Paare sehen sich oftmals in ihrer Privatsphäre verletzt. Zudem stellen die verpflichtenden Durchsuchungen und die ausschließliche Aufenthaltsgenehmigung bis zum Morgen des nächsten Tages für Betroffene durchaus eine Stresssituation dar. Zu erwähnen sind weiterhin die für einige Betroffene geltenden Hausverbote. Auch das Fehlen einer Kochstelle zur privaten und selbstbestimmten Versorgung wurde angeführt. Zudem fehlt oftmals der entsprechende Anreiz, die gegebenen Strukturen aufzusuchen. Grund dafür sind auch mangelnde Möglichkeiten, sich beim Kreisverwaltungsreferat als in München lebend zu melden beziehungsweise durch die Aushändigung einer Wohnungsgeberbestätigung der Anmeldepflicht bei der Einwohnermeldebehörde nachkommen zu können (§ 17(1) und § 20 BMG). Die Stadtratsfraktion Die Grünen – rosa Liste hat bezüglich einiger der genannten Kritikpunkte bereits einen Antrag zur Bearbeitung durch die Verwaltung eingebracht.
Die Stadtverwaltung steht abseits des kurzfristigen Verzichts auf die Räumung der Unterführung Kapuzinerstraße in der Pflicht, ihr Vorgehen im Rahmen der Wohnstätten obdachloser Menschen insgesamt zu überdenken und ein Konzept zu erarbeiten, das von einem Teufelskreis pauschaler Räumungen absieht und das Recht auf Handlungsfreiheit und persönliche Selbstbestimmung würdigt sowie die Rahmensituation von notdürftigen Wohnstätten im Freien individuell beurteilt. Zudem muss eine entsprechende Anpassung der bestehenden Wohnungslosen- und Kälteschutzeinrichtungen erfolgen.

Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen – rosa liste
Initiative:
Dominik Krause
Jutta Koller
Oswald Utz
Anja Berger
Sabine Krieger

Mitglieder des Stadtrates