Antrag | 24.08.2012

München setzt auf postfossile Mobilität statt auf fossilen Verkehr

Antrag

Zur Energiewende gehört die Verkehrswende –
München setzt auf postfossile Mobilität statt auf fossilen Verkehr

1.Die LH München berücksichtigt bei ihren Verkehrsprognosen und -projekten weit mehr als bisher die Folgen von Peak Oil.

2.Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung entwickelt entsprechende Szenarien auf der Basis realistischer Energiepreisannahmen unter Berücksichtigung der fortschreitenden Verknappung fossiler Kraft- und Treibstoffe. Die Planungen zur Verkehrsinfrastruktur werden daran angepasst, um Fehlinvestitionen zu vermeiden. Die Szenarien und die Konsequenzen für Münchner Verkehrsinfrastrukturprojekte werden dem Stadtrat vorgestellt.

3.Die LH München ergreift die mit Peak Oil sich bietende Chance mittels postfossiler Mobilität die Lebensqualität in der LH München zu verbessern. Hierfür bedarf es konsequenter Prioritäten:

Mobilitätschancen für alle Bevölkerungsgruppen (die Stadt für alle von 8 bis 80

  • Vorrang der Nähe vor der Ferne
  • Vorrang für die aktive Mobilität zu Fuß und mit dem Rad (die Straße vom Rand her denken, zuerst Platz für die Fußgänger, dann die Radler berücksichtigen, dann den ÖV und die Fahrbahn)
  • Vorrang öffentlicher, allen zugänglicher Verkehrmittel
  • Attraktivitätssteigerung der öffentlichen Räume

Begründung:

Die Verknappung der fossilen Ressourcen zeichnet sich nach den Erkenntnissen der letzten Jahre mehr und schneller denn je ab. Das damit verbundene globale Fördermaximum für Erdöl, genannt Peak Oil, wurde gemäß der Internationalen Energieagentur bereits im Jahr 2006 überschritten. Die verschiedenen offiziellen Energiestatistiken weisen seitdem eine nahezu konstante bis leicht fallende Ölförderung aus. Nach Analysen der unabhängigen Energy Watch Group wird die Ölförderung bis 2030 auf rund die Hälfte des heutigen Wertes sinken. Auch die Szenarien der Ludwig-Bölkow Systemtechnik rechnen mit einer Halbierung der Ölförderung in den nächsten zwei Jahrzehnten. Trotz steigender Explorationsinvestitionen nehmen weltweit die Erdölfunde seit den 1960er Jahren ab. Im langfristigen Durchschnitt fallen seitdem die Neufunde um mehrere Prozent pro Jahr. Seit den späten 1980er Jahren übersteigt die Ölförderung systematisch die neuen Ölfunde – der Rückgang der Förderung ist vorprogrammiert und unausweichlich. Neue Fördergebiete sind in der Regel nur mit größerem Aufwand und höheren Umweltschäden zu erschließen, so dass auch deshalb ein erheblicher Preisanstieg zu erwarten ist. Entgegen der bisher eher geringen öffentlichen Diskussion wird Peak Fossil eine zentrale Herausforderung unserer Zeit. Die Schweizer Bank Sarasin hierzu: „Fossiles Denken schadet mehr als fossile Brennstoffe“.

Zu Wasser, zu Lande und in der Luft ist der motorisierte Verkehr nahezu vollständig abhängig vom Öl. Auch wenn sie ihre Nischen finden, sind das Elektroauto und biogene Kraftstoffe kein gleichwertiger Ersatz. Biogene Kraftstoffe stehen in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und das Elektroauto ist teuer und es ist fragwürdig, ob die Rohstoffe für Batterien in gefordertem Maße zur Verfügung stehen. Angesichts des hohen Preises von Batterien begünstigt das Elektroauto Car-Sharing in der Stadt, weil es zu teuer ist, es 23 Stunden am Tag stehen zu lassen, wie derzeit bei konventionellen Autos üblich.

München hat mit seiner kompakten Stadtstruktur, mit seinen kurzen Wegen, mit hohen Anteilen an Fuß-, Rad und Öffentlichen Verkehr gute Chancen den Umstieg in die postfossile Mobilität zu meistern. Um Fehlinvestitionen zu vermeiden, müssen Straßenbauprojekte überdacht werden. Der Öffentliche Nahverkehr muss ausgebaut werden, insbesondere die Außenäste der S-Bahn, weil bei den größeren Distanzen die höheren Kraftstoffpreise eher durchschlagen als bei den kurzen Wegen in der Stadt. Ebenso ist zu überprüfen, ob die Stellplatzsatzung entsprechend zukunftsfähig ist und nicht etwa viel privates und bei den Wohnungsbaugesellschaften auch viel öffentliches Geld in Stellplätze investiert wird, die dann möglicherweise niemand mehr braucht.

Die rechtzeitige Auseinandersetzung mit Peak Oil vermeidet Fehlinvestitionen in Milliardenhöhe und federt den Umstieg ab. Zudem sollte die Verteuerung des Öls und damit der Kraftstoffe als Chance für die Verkehrswende ergriffen werden, die Mobilität stadtverträglicher zu gestalten und die aktive Mobilität zu Fuß und mit dem Rad gegenüber der passiven motorisierten Mobilität zu stärken. Postfossile Mobilität bedarf einer Neuorientierung der Prioritäten. Weiterführende Gedanken hierzu sind u.a. Jörg Schindlers und Martin Helds Buch „Postfossile Mobilität“ zu entnehmen.

Fraktion Die Grünen – rosa liste
Initiative:
Paul Bickelbacher
Sabine Nallinger