Pressemitteilung | 16.01.2020

Jahrespressekonferenz 2020 – Bilanz und Ausblick

Bei einem Pressegepräch zogen die Fraktionsvorsitzenden Katrin Habenschaden und Dr. Florian Roth eine Bilanz der zurückliegenden Stadtratsperiode und gaben einen Ausblick auf die noch verbleibenden Wochen im Stadtrat.

  1. Kontinuität aus rotgrüner Zeit

Bei allem politischem Streit gibt es im Stadtrat auch immer wieder viel Konsens – zahlreiche Entscheidungen werden mit großer Mehrheit getroffen. Das war auch in der jetzt zu Ende gehenden Amtsperiode des Stadtrats so. Dies betraf vor allem Themen, über die bereits in der letzten Periode – also noch unter rotgrüner Mehrheit – Konsens hergestellt wurde. In der Schulbauoffensive und im Wohnungsbauprogramm wurden die richtungsweisenden Initiativen aus dieser Zeit fortgesetzt und weiterentwickelt. Kontinuität und Konsens herrschten weitgehend auch bei der Gleichstellung von Frauen und sexuellen Minderheiten sowie bei der Wertschätzung der Institutionen, die sich dafür einsetzen.
Besonders wertvoll war diese politische Einigkeit im Sommer 2015, als die Stadt mit Hilfe vieler ehrenamtlicher Helfer und Helferinnen viele tausend Flüchtlinge unterbrachte, versorgte, anschließend Integrationsangebote schuf und dabei auf eine Infrastruktur zurückgreifen konnte, die Jahre vorher auf grüne Initiative hin entstanden ist. Hier hat sich München von seiner besten Seite gezeigt.

  • Die GroKo: Viel versprochen – viel vertagt, verschleppt und versandet

SPD und CSU starteten mit einer Reihe vollmundiger Ankündigungen. Doch in vielen Politikfeldern herrschte lange weitgehend Stillstand nach dem Motto: Viel gesagt, wenig getan. Wichtige Fragen wurden vertagt, verschleppt oder versandeten in den Untiefen fruchtloser Koalitionsrunden. Einige Beispiele:

Mobilität

  • Tram: Die Planfeststellung für die Tram-Westtangente steht immer noch aus und die Inbetriebnahme ist erst 2026 vorgesehen – also in der übernächsten Wahlperiode. Zwar hat die GroKo unter heftigem Zähneknirschen der CSU 2018 einen Trassierungsbeschluss hinbekommen – allerdings mit einer Verzögerung von mehreren Jahren, die man benötigte, um den millionenschweren Sonderwünschen der CSU zum Wohle des Autoverkehrs in der Fürstenrieder Straße entgegenzukommen. Die Tram-Nordtangente ist immer noch umstritten, die CSU leistet hartnäckigen Widerstand. Pläne für weitere Tramprojekte hat die GroKo nicht. Die Grünen – Rosa Liste haben dagegen Vorschläge für eine ganze Reihe neuer Linien gemacht: für Linien quer durch die Innenstadt, für weitere Tangentialverbindungen und für Strecken in Nachbargemeinden.
  • Busspuren: Bei der Definition neuer Busspuren ging bis 2019 nichts vorwärts, obwohl Die Grünen – Rosa Liste und auch die MVG (mit einer Prioritätenliste von 52 Busspuren) schon 2016 Vorschläge auf den Tisch gelegt hatten. 
  • Ein Investitionshindernis beim Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs.ist die Fixierung der CSU auf den Autoverkehr  Das Festhalten an der Planung von Autotunneln mit Kosten von bis zu 1,5 Mrd. Euro macht es unrealistisch, die Pläne für die U5 nach Pasing und Freiham, für die U9 durch die Innenstadt und für die Erschließung des Neubaugebietes im Nordosten durch die Verlängerung der U4 parallel vorantreiben zu können.

Städtisches Klinikum

Zu Beginn der Amtsperiode hat sich die GroKo gerne als Retter des städtischen Klinikums dargestellt. Aktuell drohen immer wieder Bauverzögerungen und das Klinikum hinkt weiter hinter seinem Sanierungsumsetzungskonzept zurück. 

Kultur

  • Der Umbau des städtischen Kulturzentrums Gasteig ist von Pannen und Streit überlagert. Zunächst gelang es nicht, nach dem Wettbewerb eine rechtssichere Auftragsvergabe zu gewährleisten – die Stadt kassierte vor Gericht eine Niederlage. Anschließend zerstritten sich die Koalitionspartner über die Höhe der Kosten und den Umfang des Umbaus. Jetzt kam es auch noch zu unerwarteten Kostensteigerungen bei dem Interimsstandort.
  • Das Stadtmuseum liegt weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan für Sanierung und Umbau zurück. Letzten Herbst ging die Museumsleiterin Frau Dr. Fehle nach neunjähriger Amtszeit in Rente. Sie hatte ihr Amt mit dem Auftrag angetreten, den Umbau zu leiten – bis jetzt ist aber immer noch kein Stein bewegt worden.
  • An den Kammerspielen hat die Münchner CSU mit Matthias Lilienthal einen visionären und ideenreichen Intendanten vergrault, dessen politische Ausrichtung ihr nicht passte. Die SPD hat dazu geschwiegen – ein Tiefpunkt der Münchner Kulturpolitik.
  • Und auch bei der Jutier- und Tonnenhalle wurde der Umbau für eine kulturelle Nutzung noch nicht einmal begonnen. Mit Inbetriebnahme wird nicht vor 2025 gerechnet – obwohl der Grundsatzbeschluss dazu aus dem Jahr 2010 stammt.

Verwaltungsreform

Schon vor seiner Wahl zum OB hatte sich Dieter Reiter eine Verwaltungsreform mit kürzeren Bearbeitungszeiten auf die Fahnen geschrieben. Ein interfraktioneller Arbeitskreis wurde ins Leben gerufen – doch der Berg kreißte und gebar eine Maus. Immer noch dauern viele Abläufe unbegreiflich lange und sind ineffizient. Die eben erwähnte Sanierung des Stadtmuseums ist da nur ein Beispiel. Ein anderes sind die neunjährigen, letztlich ergebnislosen Verhandlungen mit Herrn Röschinger über Wohnungsbau in der Parkstadt Schwabing – eine Frist, welche die anscheinend in erdgeschichtlichen Dimensionen denkende Stadtbaurätin dann auch noch als „nicht ungewöhnlich lange“ bezeichnet. Und lange Wartezeiten kennen auch die Kunden des Kreisverwaltungsreferats, das in den vergangenen Jahren erkennbar Probleme hatte, die durch den Bevölkerungszuwachs entstehende Mehrarbeit zu bewältigen.

Isar

Ein weiteres Beispiel ist die innerstädtische Isar, für die 2015 ein visionärer Beschluss gefasst wurde, um die Umgebung des Flusses attraktiver zu machen. Resultat war, dass innerhalb von vier Jahren ein paar Bänke erneuert und ein paar Büsche beschnitten wurden. 

Digitalisierung

Mit dem neuen IT-Referat wollte der Oberbürgermeister die dringend notwendige beschleunigte Digitalisierung auf den Weg bringen. Es wurde auch ein entsprechendes zukunftsweisendes Konzept verabschiedet. Doch als es zum Schwur kam, wurden dem Referat ein Großteil der dafür notwendigen Finanzmittel verweigert, was dem IT-Referenten zu dem (wenig grünen) Vergleich brachte, die Stadt habe mit der Digitalisierungskonzept einen Ferrari in der Garage, den sie aber nur mit einem 2-PS-Dieselmotor ausstatte.

  • Zukunftsweisende Beschlüsse wurden oft nur durch grünrosa Stimmen ermöglicht

Bezahlbares Wohnen

  • Nur mit  Hilfe der Grünen – Rosa Liste gab es im Juni 2018 eine Mehrheit für die Reform der Erhaltungssatzungen nach grünem Antrag von Februar 2017. Gegen die Stimmen der CSU musste dieser wichtige Baustein für mehr Mieterschutz in München durchgesetzt werden.
  • Die SEM (städtebauliche Entwicklungsmaßnahme) als bestes Mittel, um auf größeren Flächen möglichst viel bezahlbare Mietwohnungen zu bauen, konnte im Münchner Nordosten nach dem Absprung der CSU nur durch Grünrosa gerettet werden. Im Münchner Norden hat die SPD die SEM wider besseres Wissen der Koalitionsraison geopfert.

Verkehrswende 

  • Radverkehr: Ohne Die Grünen – Rosa Liste und ohne den Druck der Zivilgesellschaft, welche die GroKo mit den beiden erfolgreichen Bürgerbegehren zum Radverkehr zu einer drastischen Kurskorrektur gezwungen hat, wären keine wesentlichen Fortschritte für den Radverkehr zu erzielt worden. Noch Ende 2017 hat die GroKo sämtliche Änderungsanträge der Grünen – Rosa Liste zum Grundsatzbeschluss Radverkehr abgelehnt.
  • Die Neuverteilung des Verkehrsraums auf der Ludwigsbrücke zugunsten des Rad- und Fußverkehrsist ebenso auf Druck und Initiativen der Grünen – Rosa Liste zurückzuführen wie auch die Pläne für eine weitgehend autofreie Innenstadt.

Klimaschutz

  • Noch bei der Verabschiedung des letzten IHKM (Integriertes Handlungsprogramm Klimaschutz) im November 2018 wurden Änderungsanträge der Grünen, die der Stadt ambitionierte Ziele beim Klimaschutz vorgaben, Punkt für Punkt von der schwarzroten Mehrheit niedergestimmt. Erst im Dezember 2019 konnte das Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2035 und die Ausrufung des Klimanotstands aufgrund von Anträgen der Grünen – Rosa Liste und der Linken gegen die CSU beschlossen werden – allerdings ohne konkrete Maßnahmen und ohne die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Ressourcen.

Außerdem

  • Die Einrichtung des von den Grünen – Rosa Liste beantragten Frauennachttaxis gelang erst nach lange hinhaltendem Widerstand aus dem Kreisverwaltungsreferat.
  • Und auch einem grünen Antrag ist zu verdanken, dass man wenigstens dem Kreisverwaltungsreferat im Haushalt schließlich doch die notwendigen Finanzmittel für eine schnelle Digitalisierung zur Verfügung stellte.
  • Ausblick 

In den bis zur Wahl verbleibenden Wochen werden Die Grünen – Rosa Liste noch einmal auf einigen Politikfeldern mit Anträgen aktiv werden. Dies betrifft

  • Klimaschutz: Zwar ist es im letzten Stadtratsplenum 2019 gelungen, einige wichtige Grundsatzbeschlüsse zu fassen und dem Thema einen höheren politischen Stellenwert zu verleihen. Allerdings sind diese Ankündigungen noch nicht mit konkreten Maßnahmen und den nötigen finanziellen Ressourcen hinterlegt. Das wollen wir nachholen.
  • die SEM Nordost, von der noch diesen Monat Wettbewerbsergebnisse zu erwarten sind. Wir wollen am Instrumentarium der SEM festhalten und viel bezahlbares Wohnen mit wenig Flächenverbrauch durch höheres Bauen und Autofreiheit in Einklang bringen. Nach der Präsentation der Wettbewerbsergebnisse werden sich neue und konkretere Grundlagen für eine solche Planung ergeben.
  • Soziale Quartiersentwicklung: Die Menschen inNeubaugebieten brauchen nicht nur Wohnungen, sondern auch soziale Infrastruktur – Orte, an denen sie sich treffen können und wo sozialer Zusammenhalt entstehen kann. Dazu ist ein Antragspaket in Arbeit.
  • Ebenfalls in Vorbereitung sind Anträge, um die gesellschaftliche Teilhabe älterer Menschen durch mehr Angebote für altersgerechtes Wohnen zu verbessern und Altersdiskriminierung zu verhindern.
  • Mobilitätsreferat: Wir wollen ein wirklich umfassendes Referat für Mobilität und öffentlichen Raum ohne unnötige Verwaltungsschnittstellen, das z.B. auch die Kompetenz für den öffentlichen Nahverkehr incl. MVG, die Verkehrsüberwachung und die Nahmobilitätspauschale haben sollte. Wie solch ein schlagkräftiges Referat als Treiber und Ausführer der notwendigen Verkehrswende aus unserer Sicht genauer aussehen soll, dazu werden wir noch vor Zusammentreten des beschlossenen interfraktionellen Arbeitskreises unsere Vorstellungen genauer präsentieren.
  • Autofreie Innenstadt: Das Thema Autofreie Innenstadt soll noch in den nächsten Wochen im Stadtrat diskutiert werden. Dabei werden wir darauf beharren, dass es – um den OB zu zitieren – „Aktionen“ gibt und nicht nur ewige Arbeitsgruppen. Auf dem Tisch liegt z.B. unser Vorschlag einer Fußgängerzone im Tal und einer Verkehrsberuhigung im Gärtnerplatzviertel und im südlichen Lehel. Außerdem haben wir diese Woche nach dem Hearing zur Autofreien Altstadt ein Antragspaket mit Ideen für eine attraktive Innenstadt mit weniger Autos vorgelegt .
  • München für Flanierer und Fußgänger noch attraktiver machen wollen wir aber nicht nur in der Innenstadt. Deshalb werden wir bald Vorschläge zum Fußverkehr in München vorlegen, in denen es etwa auch um Fußgängerzonen, Shared Space und Nahmobilitätskonzepte in den Stadtteilen gehen wird.
  • Das größte Kulturprojekt, der Gasteig, wird uns noch im Februar beschäftigen, nachdem im Dezember die Kostensteigerung beim Interim diskutiert, das Thema aber partiell vertagt wurde. Unsere Position ist: Wir halten daran fest, dass insbesondere die Räumlichkeiten für Stadtbibliothek und Volkshochschule modernisiert werden, fordern aber eine bessere Finanzkontrolle ein. Nach der Serie von Pleiten, Pech und Pannen erinnern wir an unseren Antrag, das Kulturreferat anstatt des RAW zum Betreuungsreferat zu machen.
  • Was uns auch in den nächsten Wochen noch bewegen wird, ist der neueste Münchner Bildungsbericht. Um das Ziel größtmöglicher Bildungsgerechtigkeit zu erreichen, fordern wir eine intensivere Unterstützung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund sowie aus sozial benachteiligten Familien.
  • Der interfraktionelle Arbeitskreis wird wohl nach einem Dornröschenschlaf vom OB noch in dieser Wahlperiode einmalig wieder erweckt. Diese Gelegenheit werden wir nutzen, unsere Forderungen nach Entbürokratisierung, Verfahrensbeschleunigung und zielgerichteter Nutzung digitaler Möglichkeiten einzubringen. München ist da in vielen Bereichen im Benchmarking bei der Effizienz eher Kreisklasse als Champions League.