Antrag | 02.12.2019

Große Herausforderungen, neue Wege II – Versorgungslücken in der Pflege benennen und schließen

Antrag

Im Rahmen der nächsten Vorlage zur Pflegebedarfsplanung im Herbst 2020 analysiert das Sozialreferat gemeinsam mit dem Referat für Gesundheit und Umwelt folgende Pflegesegmente und legt dar, was die Landeshauptstadt tun kann, um hier lenkend tätig zu werden.

  • Pflegebedürftige Schwerbehinderte
  • Pflegebedürftige Wohnungslose
  • Pflegebedürftige Drogenabhängige
  • Beschützend unterzubringende pflegebedürftige SeniorInnen
  • Selbst- und fremdgefährdende demenziell erkrankte SeniorInnen

Begründung:
Die Antwort auf die Anfrage der Stadtratsfraktion Die Grünen – Rosa Liste „Ein Generationenvertrag für München – wie steht es um die stationäre Altenpflege?“ vom 15. Mai 2019 zeigt auf, dass die Situation in keinem der oben genannten Pflegesegmente befriedigend ist. Für die Bereiche der Versorgung von pflegebedürftigen Schwerbehinderten, pflegebedürftigen Wohnungslosen, pflegebedürftigen Drogenabhängigen sowie selbst- und fremdgefährdenden demenziell erkrankten SeniorInnen gibt es nur wenige bis keine Angebote.

Pflegebedürftige Schwerbehinderte erreichen durch medizinische Fortschritte zunehmend das Seniorenalter. Die Einrichtungen der Behindertenhilfe sind dabei aktuell im Wesentlichen auf Teilhabe ausgerichtet. Das Sozialreferat stellt in seiner Antwort auf die oben genannte Anfrage fest, dass es aktuell in München nur vereinzelte Angebote für diese Zielgruppe gibt. Da auch diese Zielgruppe sicherlich im Laufe der nächsten Jahre zunehmen wird, müssen sich beispielsweise Seniorenheime für diese Zielgruppe öffnen. Hier sind kurzfristig entsprechende Vorkehrungen (u. a. spezialisierte Bereiche, spezialisiertes Personal, spezialisierte medizinisch-pflegerische Kenntnisse, Zusammenarbeit Altenpflege mit den Behinderteneinrichtungen) zu treffen.
Auch pflegebedürftige Wohnungslose kommen durch eine verbesserte Versorgung Wohnungsloser und einer gut aufgestellten Wohnungslosenhilfe zunehmend in die Situation der Pflegebedürftigkeit. Aufgrund eines kräftezehrenden Lebens auf der Straße sind wohnungslose Pflegebedürftige dennoch im Schnitt deutlich jünger als andere Pflegebedürftige. Während eine ambulante Versorgung in den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe meist möglich ist, ist eine stationäre Versorgung (außer im grundsätzlich voll belegten Haus St. Benno des Katholischen Männerfürsorgevereins mit 57 Plätzen in Oberschleißheim) kaum umsetzbar. In der Folge werden pflegebedürftige Wohnungslose zunächst in Kliniken und anschließend in vollstationären Pflegeheimen untergebracht. Wegen ihres oftmals herausfordernden Verhaltens sind sie dort nur bedingt in den Pflegealltag integrierbar. Hinzu kommt ihr durchschnittlich deutlich jüngeres Alter im Vergleich zu den anderen BewohnerInnen der Häuser. Dies führt in Kombination häufig zu einer deutlichen Überlastung der Mitarbeitenden.

Weiterhin werden pflegebedürftige Drogenabhängige in München derzeit nicht ausreichend versorgt. Laut Referat für Gesundheit und Umwelt ergeben sich bei der stationären Unterbringung der Betroffenen massive Probleme. Die Versorgung von Menschen mit Drogenabhängigkeiten in vollstationären Pflegeeinrichtungen erfordert einen sehr hohen Ressourcenaufwand. Diese Ressourcen sind in Summe nicht gegeben. Da eine anderweitige Versorgung in München jedoch ebenfalls nicht im ausreichenden Umfang besteht, wenden sich drogenabhängige Pflegebedürftige weiterhin an vollstationäre Einrichtungen – mit nicht hinnehmbaren Folgen für die Mitarbeitenden, die anderen BewohnerInnen sowie die pflegebedürftigen Drogenabhängigen selbst. Hier bedarf es dringend eines regulierenden und konzeptionellen Eingreifens durch Sozial- und Gesundheitsreferat.

Bezüglich beschützend unterzubringender demenziell veränderter Pflegebedürftiger geht aus dem letzten „Marktbericht Pflege“ des Sozialreferates von 2018 hervor, dass die Zahl der Plätze in beschützenden Bereichen in München inzwischen wieder auf dem Stand von 2013 ist – und das trotz stetig steigendem Bedarf. Dieses Defizit muss vom Sozialreferat benannt und gemeinsam mit den Trägern der Altenhilfe angegangen werden. Geschieht dies nicht, hat dies zur Folge, dass beschützend unterzubringende Pflegebedürftige entweder nicht aufgenommen werden können – mit allen Folgen für die Betroffenen und ihre Angehörigen – oder aber sie kommen auf offene gerontopsychiatrische Bereiche – was ebenfalls eine nicht hinnehmbare Extremsituation für alle Beteiligten darstellen würde.

Schließlich stellen auch selbst- und fremdgefährdende psychisch kranke oder demenziell veränderte Pflegebedürftige für vollstationäre Pflegeeinrichtungen eine enorme Herausforderung dar, der mit den bestehenden Ressourcen dieser Einrichtungen aktuell nicht adäquat begegnet werden kann. Die einzige Alternative zur vollstationären Pflegeeinrichtung wäre nach jetzigem Stand eine vollstationäre psychiatrische Unterbringung. Diese Stationen sind jedoch nur bedingt auf Pflegebedürftige eingerichtet.

Die aktuellen Zahlen zeigen deutliche Lücken in der Versorgungskette im Pflegebereich auf, die dringend angegangen werden müssen. Die Versorgung dieser Gruppen durch vollstationäre Pflege oder im Krisenfall in den Kliniken ohne notwendige personelle und finanzielle Ressourcen ist eine der großen Ursachen für die Überlastung des Pflegepersonals. Es ist deshalb dringend notwendig, dass die Landeshauptstadt hier so schnell wie möglich lenkend mit den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten tätig wird.

Fraktion Die Grünen – Rosa Liste

Initiative:
Katrin Habenschaden, Jutta Koller, Anja Berger, Oswald Utz

Mitglieder des Stadtrates