Antrag | 07.01.2022

Für eine bleibende Erinnerung an das Attentat der Gruppe Ludwig

Auf Initiative der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Fraktion DIE LINKE. / Die PARTEI, Marie Burneleit wird in einem interfraktionellen Antrag mit SPD / Volt und Die Grünen – Rosa Liste eine aktive Erinnerung an das Anschlagsopfer „Corinna Tatarotti“ [A1] des Attentats der Gruppe Ludwig beantragt.  Dazu die Initiatorin des Antrags Marie Burneleit: „An diesem Freitag, dem 07. Januar jährt sich das Attentat der neonazistischen Gruppe Ludwig auf die Diskothek Liverpool zum 38. Mal. In den vergangenen vier Jahrzehnten hat es die Landeshauptstadt leider versäumt, an diese Schreckensnacht und das Todesopfer Corinna Tatarotti zu erinnern. Aus diesem Grund wollen wir uns den zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, die über die Jahre für das Erinnern kämpften, anschließen und sichtbar den Opfern gedenken und ein weiteres Zeichen gegen rechte Gewalt in unserer Stadt und europaweit setzen.“

Die Geschichte der Landeshauptstadt München ist gezeichnet von einer traurigen Tradition rechter Gewalttaten und Attentate. In den Jahrzehnten nach dem NS-Regime lassen sich unter anderem das Oktoberfest-Attentat (1980), die Morde im Rahmen des NSU-Komplexes (2001–2005) sowie der Anschlag am Münchner OEZ (2016) aufzählen, an welche die Landeshauptstadt aktiv erinnert.

Anders verhält es sich mit einem ebenfalls tödlichen Attentat im Bahnhofsviertel, an das heute lediglich die Zivilgesellschaft Münchens in Form eines jährlichen Gedenkens erinnert: In der Nacht auf den 7. Januar 1984 verübten die Münchner Wolfgang Abel und Marco Furlan einen Brandanschlag auf das Lokal „Liverpool“ in der Münchner Schillerstraße. Abel und Furlan warfen jeweils einen aus einem Benzinkanister bestehenden Brandsatz in den Eingang der Diskothek, in der zu diesem Zeitpunkt 30 Gäste anwesend waren. Die beiden Täter konnten danach entfliehen, doch hinterließen eine Szene des Schreckens. Acht Gäste wurden verletzt, die 20-jährigen Angestellte Corinna Tatarotti verstarb im April desselben Jahres an ihren schweren Brandverletzungen.

Wolfgang Abel und Marco Furlan bildeten die neonazistische „Gruppe Ludwig“ und reisten zwischen 1977 und 1984 von München aus zu zehn schwulenfeindlich, sexistisch, sexualitätsfeindlich und antiziganistisch motivierten Mordanschlägen nach Norditalien. Insgesamt kosteten ihre Ideologie, eine krude Mischung aus Nationalsozialismus und vermeintlich christlich-traditionalistischer Sexualmoral, 15 Menschen das Leben. Die Morde und Anschläge im Namen der „Gruppe Ludwig“ wurden anschließend von italienischen und deutschen Behörden systematisch entpolitisiert – so auch in München[1].

Dominik Krause, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Die Grünen – Rosa Liste, sagt zum interfraktionellen Antrag: „München ist heute eine weltoffene Großstadt mit einer großen und aktiven queeren Community. Wir sind stolz darauf, uns immer wieder aktiv gegen Hass und Hetze, insbesondere auch Frauen- und Queerfeindlichkeit zu stellen. Dazu gehört auch, immer wieder aktiv an die dunklen Seiten unserer Stadtgeschichte zu erinnern. Toleranz, Vielfalt und Zusammengehörigkeitsgefühl muss immer wieder erkämpft und verteidigt werden. Daran soll uns das Gedenken an die Opfer des Anschlags auf die Diskothek Liverpool erinnern.“

Abschließend zum Antrag SPD-Stadträtin Micky Wenngatz: „Auch 38 Jahre nach dem Brandanschlag auf die Diskothek Liverpool vergessen wir nicht die Opfer und ihre Angehörigen. Eine Gedächtnis-Tafel wäre ein spätes, aber wichtiges Zeichen der Anerkennung und der Solidarität mit den Betroffenen dieses grausamen rechtsextremistischen Verbrechens. Wir geben damit der Trauer der Angehörigen Raum und zeigen aktiv: Rechtes Gedankengut hat in München keinen Platz.“


[1] Quellen: Robert Andreasch: Aus dem Bild gefallen – Der rechte Terror der „Gruppe Ludwig“. 12.10.2020

https://www.nsu-watch.info/2020/12/longread-und-interview-aus-dem-bild-gefallen-der-rechte-terror-der-gruppe-ludwig/

Robert Andreasch: „Vom Penzberger Rathaus bis zum Münchner Olympia-Einaufszentrum: Rechte Attentate in Bayern.“ In: Nerdinger, Winfried et al. Nie wieder. Schon wieder. Immer noch. Rechtsextremismus in Deutschland seit 1945. Metropol 2018. S. 67