Pressemitteilung | 16.05.2021

Forst Kasten: Stadtrat muss Auskiesung zustimmen

Am nächsten Donnerstag, den 20.5.2021, wird der Sozialausschuss in nicht-öffentlicher Sitzung über den Abschluss des Vergabeverfahrens zum Kiesabbau im Forst Kasten entscheiden. Die Grün-Rosa Stadtratsfraktion lehnt die Auskiesung auf einer Fläche von 9,5 Hektar strikt ab. Dennoch sind die grünen Vertreter*innen im Sozialausschuss nun gezwungen, der Auskiesung und den damit verbundenen Baumfällungen zuzustimmen – unter Protest.
Der wirtschaftliche Erlös aus dem Kiesabbau soll der Stiftung Heiliggeistspital zugute kommen. Würde der Sozialausschuss mehrheitlich gegen eine Vergabe stimmen, könnten sich die ehrenamtlichen Stadträtinnen einem hohen persönlichen Haftungsrisiko (in bis zu siebenstelliger Höhe) gegenüber sehen. Ein in den Augen der Fraktion Die Grünen – Rosa Liste nicht hinnehmbarer Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Stadträt*innen. Überdies steht diese Form der Bewirtschaftung des Fort Kasten den umwelt- und klimapolitischen Zielen Münchens entgegen und wäre ein völlig falsches Signal.

Der Hintergrund dieser Zwangslage ist das Stiftungsrecht: Die Mitglieder des Sozialausschusses dürfen bei der Beschlussfassung nicht im Rahmen ihres kommunalen Mandats handeln, das sie von den Wählerinnen und Wählern erhalten haben, sondern nur als Mitglieder des Stiftungsrats der Heiliggeistspital-Stiftung München, die sie automatisch sind. Die Heiliggeistspital-Stiftung ist die Eigentümerin des Forst Kasten. Mit den Einnahmen aus der Forstwirtschaft – darunter ist auch der Kiesabbau zu verstehen – betreibt sie am Dom-Pedro-Platz in Neuhausen ein Alten- und Pflegeheim und ist ein wichtiger Pfeiler der Daseinsfürsorge Münchens.

Die anstehende Pacht-Vergabe für das etwa 13 Fußballfelder große Gebiet ist das Ergebnis eines Vorgangs, der sich über inzwischen drei Legislaturperioden erstreckt. Die Regierung von Oberbayern hat in ihrer Funktion als Stiftungsaufsicht der Stadt mitgeteilt, es sei „aus Rechtsgründen nicht möglich, von der derzeit anstehenden Vergabe Abstand zu nehmen. Jedenfalls zieht eine Abstandnahme zum jetzigen Zeitpunkt Schadensersatzansprüche der Stiftung gegenüber dem Oberbürgermeister und den einzelnen Stadtratsmitgliedern nach sich.“ Als Risiko wird eine Summe mindestens „in einer Größenordnung eines höheren Hunderttausend Euro-Betrages“ genannt. Weiterhin heißt es: „Danach bliebe aus Sicht der Regierung von Oberbayern eine Entscheidung des Stadtrats, den Zuschlag in dem Ausschreibungsverfahren nicht zu erteilen, rechtswidrig, da sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem erheblichen Vermögensschaden der Heiliggeist-Stiftung München führen würde und damit gegen das Gebot der wirtschaftlichen Verwaltung des Vermögens der Stiftung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Stiftungsgesetz) verstieße.“

Mona Fuchs, stellvertretende Fraktionsvorsitzende sieht die Fraktion vor einem unauflöslichen Dilemma: „Der Schutz des Forst Kasten als Lebensraum für Tiere und Pflanzen, als Naherholungsgebiet und als Frischluftreservoir für die ganze Region ist uns ein Herzensanliegen. Darüber hinaus genießt der Umweltschutz Verfassungsrang, und die Ziele des Klimaschutzes sind gerade erst wieder durch höchstrichterliche Rechtsprechung aufgewertet worden. Dennoch werden wir die Auskiesung nicht ablehnen können, denn wir dürfen nicht einem nach Auffassung der Aufsichtsbehörde rechtswidrigen Beschluss zustimmen, der außerdem massive Schadensersatzforderungen gegen einzelne Stadträt*innen nach sich ziehen könnte.
Wir wissen: Dieses Thema bewegt viele Menschen – nicht nur in München. Die drohende Fällung vieler Bäume wäre ein schmerzlicher Verlust. Wir bedanken uns für die vielen Zuschriften, die uns in dieser Sache den Rücken gestärkt haben, und für die Angebote zur Unterstützung – darunter auch solche, die mit einem Crowdfunding das Haftungsrisiko von uns nehmen wollten.“

Dominik Krause, stellvertretender Fraktionsvorsitzender: „Die Fraktion hat den vergangenen Monaten unter anwaltlicher Beratung vielfältigste Anstrengungen unternommen, um der Regierung von Oberbayern mögliche rechtskonforme Auswege aus der Auskiesung aufzuzeigen. Dass diese an der oben zitierten Rechtsauffassung festhält, ist mehr als bedauerlich, doch sie bringt uns bei der Entscheidung über die Auskiesung in eine Zwangslage, in der wir lediglich wirtschaftliche Belange der Stiftung berücksichtigen dürfen – nicht jedoch klima- oder umweltpolitische. Dies gilt aus unserer Sicht aber nicht für die Genehmigungsvorgänge, die in der Kompetenz des Landkreises München und somit beim Landratsamt liegen. Wir hoffen sehr stark, dass Umwelt- und Klimaschutz bei einem etwaigen Genehmigungsverfahren besondere Berücksichtigung finden.“

Stadtrat Bernd Schreyer, Korreferent des Sozialreferats: „Wir halten die Rechtsauffassung der Regierung von Oberbayern für einen massiven Eingriff in die freie Mandatsausübung. Dagegen müssen sich alle frei gewählten Mandatsträger*innen zur Wehr setzen. Wir werden alle Hebel in Bewegung setzen, damit sich eine solche Situation nicht wiederholt und Mitglieder des Stadtrats nicht gegen ihre Überzeugung abstimmen müssen, um hohe persönliche Haftungsrisiken zu vermeiden.“

Die Grüne Landtagsfraktion hat die Rechtsauffassung der Regierung von Oberbayern in einer Anfrage thematisiert:
https://www.christian-hierneis.de/wp-content/uploads/2021/05/Schriftliche-Anfrage-zu-Forst-Kasten.pdf