Pressemitteilung | 23.02.2024

FAQ: Umstellung von Kohle auf Gas im Heizkraftwerk Nord

Im Sommer diesen Jahres soll der Block 2 des Heizkraftwerks Nord von Kohle- auf Gasbetrieb umgerüstet und ab September unter neuen Bedingungen wieder angefahren werden. Wir beantworten die meist gestellten Fragen zur Umstellung und, warum wir dieses Vorgehen für sinnvoll erachten.

Was ist das HKW Nord und welche Rolle spielt es in der Energieversorgung Münchens?

Das Heizkraftwerk (HKW) Nord in Unterföhring wird seit 1964 in Kraft-Wärme-Kopplung betrieben. Dabei werden drei voneinander unabhängige Blöcke zur Energieerzeugung genutzt. Den größten Anteil hat dabei Block 2, in dem aus der Verbrennung von Steinkohle Strom und Wärme erzeugt werden. In den Blöcken 1 und 3 des HKW Nord wird hingegen Müll verbrannt.

Das HKW Nord ist sowohl für die Stromerzeugung als auch für die Fernwärme-Versorgung der Landeshauptstadt München von großer Bedeutung: Es hat einen Anteil von bis zu 50% an der in München erzeugten Strommenge. Bei der Fernwärme liegt dieser Wert bei rund 45%. Die maximale Fernwärmeleistung der Gesamtanlage beträgt 900 Megawatt (MW), die elektrische Leistung bei ca. 410 MW. Allein Block 2 des Kraftwerks liefert dabei 555 MW an Fernwärme-Leistung und 360 MW an elektrischer Leistung.

Warum wird Block 2 des HKWs Nord nicht einfach komplett abgeschaltet?

Eine komplette Stilllegung des Blocks war bisher nicht möglich, da dies die Bundesnetzagentur auf Basis des § 13b des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) untersagt. Der Paragraf regelt die Stilllegung von Anlagen und dient als Grundlage für die Definition einer sogenannten Systemrelevanz von Energieerzeugungsanlagen, die einer Stilllegung im Weg steht. Eine Anlage ist zum Beispiel dann systemrelevant, wenn sie für netzstabilisierende Maßnahmen benötigt wird. Dies trifft laut Bundesnetzagentur auf die Stromerzeugung am HKW Nord zu.

Abgesehen von der Bedeutung für die Stromversorgung im süddeutschen Raum ist der Weiterbetrieb außerdem aktuell noch zwingend notwendig, um die Fernwärmeversorgung aufrechtzuerhalten, da ein großer Teil der Münchner Fernwärme immer noch im HKW Nord erzeugt wird. Dies wird sich jedoch perspektivisch ändern: Nach und nach soll die Fernwärme auf erneuerbare Quellen umgestellt werden. Hierzu wird vor allem der Ausbau der Geothermie in und um München stark forciert. Bis zum Jahr 2030 soll der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Fernwärmeerzeugung 30 % betragen. Diese Vorgabe ist Teil des Wärmeplanungsgesetzes, das zum 1. Januar 2024 in Kraft getreten ist.

Warum wird am HKW Nord überhaupt noch Kohle verbrannt?

Die Umstellung des Blocks 2 auf Gasbetrieb war bereits für die Heizsaison 2022/23 geplant. Doch musste sie aufgrund der unsicheren Versorgungslage mit Erdgas infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zweifach verschoben werden. Dieser Beschluss durch den Münchner Stadtrat erfolgte im Wesentlichen im Sinne der Versorgungssicherheit und aufgrund der Systemrelevanz von Block 2. Gerade in einer Situation der schwierigen Beschaffungsmöglichkeiten von Erdgas bietet der Energieträger Kohle den großen Vorteil der Lager- und Vorhaltbarkeit. Nun soll die Umstellung jedoch für die Heizperiode 2024/25 erfolgen. Der Block wird bis zu seiner Revision im Sommer 2024 weiterhin mit Kohle betrieben und ab Mitte September mit Gas wieder angefahren.

Die Verzögerung der Umstellung vom Kohle- auf den Gasbetrieb im Block 2 sowie die verbesserte Nutzung von Müll als Brennstoff in den beiden anderen Heizblöcken führten laut den Stadtwerken München während der Heizperiode 2022/2023 zu einer Einsparung von etwa 4 Terawattstunden (TWh) Erdgas. Zum Vergleich: Laut Statista verfügt Deutschland aktuell über ca. 261 TWh Speicherkapazitäten für Gas. Dies führte nicht nur zur Sicherstellung der Strom- und Wärmeversorgung in München in Zeiten einer schwierigen Versorgungslage. Durch die Einsparungen im HKW Nord konnten so auch andere wichtige Bedarfe bedient werden.

Welchen Effekt erhoffen wir uns durch den Umstieg auf Gas in Bezug auf die CO2-Emissionen?

Die Kohleverbrennung in Block 2 lief zuletzt unter einer sogenannten „technisch möglichen CO2-optimierten“ Fahrweise ab. Die Stadtwerke München schätzen die Emissionen aus der bisherigen Fahrweise auf 5,9 Megatonnen (Mt) CO2  im Zeitraum 2023-2028. Für die Umstellung auf Gas zur Heizperiode 2024/25 belaufen sich die Schätzungen für die Erzeugung einer identischen Energiemenge entweder am HKW Nord oder an anderen Standorten der SWM auf 4,9 Mt CO2-Emissionen für den Zeitraum 2023-2028. Dies würde eine Minderung der Emissionen um 1 Mt CO2 gegenüber eines Weiterbetriebs von Block 2 mit Kohle entsprechen. Die tatsächlichen Emissionswerte werden wesentlich von der künftigen Auslastung des Heizblocks abhängen.

Wie stellen wir uns die Zukunft des Standorts HKW Nord ohne fossile Brennstoffe vor?

Künftig soll Block 2 nach Angaben der Stadtwerke München überwiegend in der kalten Jahreshälfte vor allem zur Sicherstellung der Fernwärmeerzeugung eingesetzt werden. Das Konzept für die weitere Entwicklung des Standorts HKW Nord umfasst verschiedene Maßnahmen zur nachhaltigen Energieerzeugung und -bereitstellung. Dazu gehören die Nutzung von Biomasse zur Strom- und Wärmeerzeugung, die Integration von Wärmepumpen zur effizienten Wärmebereitstellung, die Installation von Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung sowie – unter der Voraussetzung eines gesicherten Zugangs zu Thermalwasserressourcen im Untergrund – die Implementierung von Tiefengeothermieanlagen zur umweltfreundlichen Wärmeerzeugung. Ein künftig breit aufgestelltes Portfolio an auf regenerativen Energien basierenden Erzeugungsanlagen wird die Relevanz von großen, zentralisierten Erzeugungsanlagen zunehmend reduzieren.

Wie bewerten wir die Berechnungen der Gruppe „München Zero“ wonach im Falle eines Volllastbetriebs des Blocks 2 mit Erdgas bis 2035 mehr als 18 Mio. Tonnen CO2 (die doppelte Menge der jährlichen Gesamtemissionen ganz Münchens) ausgestoßen würden?

Die Berechnungen von „München Zero“ kommen zu falschen Ergebnissen, weil sie auf unrealistischen Annahmen beruhen. So ist es nach unserer Auffassung nicht zu erwarten, dass die SWM den Block nach der Umstellung auf Gas in Volllast betreiben werden. Vielmehr werden die SWM aus ökonomischem Interesse versuchen, möglichst viel Energie in anderen Anlagen zu erzeugen, denn dies ist effizienter und somit kostengünstiger. Wir gehen daher nicht davon aus, dass die Auslastung des Blocks im Gasbetrieb höher liegen wird als gegenwärtig im Kohlebetrieb, sondern im Gegenteil eher deutlich niedriger ausfallen sollte. Tatsächlich ist die von München Zero angesetzte 100-prozentige Auslastung im Gasbetrieb ein äußerst unwahrscheinliches und wirtschaftlich nicht sinnvolles Szenario für die SWM.

Eine weitere Annahme in dieser Berechnung ist für uns logisch nicht nachvollziehbar: Die Gegenüberstellung der CO2-Emissionen im Fall Kohlebetrieb bis 2027 und Gasbetrieb bis 2035 kommt natürlich zu einem weit höheren CO2-Ausstoß beim Gas. Aber diese Rechnung geht nur auf, wenn ab 2027 für die erzeugte Energiemenge, egal in welcher Anlage, einfach gar kein CO2 mehr emittiert wird – ein falsches Szenario, das die Notwendigkeiten und Möglichkeiten einer gesicherten Energieversorgung bei einer gleichzeitigen schrittweisen Dekarbonisierung schlichtweg ignoriert.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Stadtrat wird sich zeitnah mit einer Beschlussvorlage beschäftigen, in der u.a. konkretere Vorgaben zum Weiterbetrieb des Block 2 am HKW Nord enthalten sein sollen. Aus unserer Sicht stellt die Umstellung auf Gas eine zwingend notwendige Übergangslösung für die Energieerzeugung am HKW Nord dar, bis ein u.a. entsprechender Ausbau der Anlagen zur grünen Stromerzeugung und Nutzung von Geothermie und die damit verbundene Umstellung des Fernwärmenetzes erreicht ist. Die aus der Verbrennung von Erdgas entstehenden Emissionen müssen dabei aber so gering wie möglich gehalten werden. Außerdem soll es so wie bisher beim sogenannten Kohleminderungspfad verbindliche Vorgaben für die Stadtwerke bezüglich der Auslastung geben.