München, den 20.01.2021
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Söder,
sehr geehrter Herr Staatsminister Sibler,
sehr geehrter Herr Staatsminister Piazolo,
seit dem 11. Januar ist im bayerischen Einzelhandel „Click & Collect“ erlaubt. Seither sind Shopping Malls, Möbelmärkte, Baumärkte und Buchhandlungen zur Abholung von bereits online oder telefonisch erworbenen Waren geöffnet, kommunalen Büchereien und Universitäts-Bibliotheken aber wird diese Möglichkeit verwehrt.
Wirtschaftsminister Aiwanger hat anlässlich der Öffnungsentscheidung die hohe Bedeutung für den Einzelhandel hervorgehoben. Diese Wertschätzung genießen die Nutzer*innen von Bibliotheken bei Ihnen nicht. Anderen Bundesländern liegt die Bildung ihrer Bürger*innen mehr am Herzen: In Berlin bleiben die Bibliotheken für den Leihbetrieb offen, in Nordrhein-Westfalen zur Vorbereitung auf anstehende Prüfungen. In unserem Nachbarland Baden-Württemberg erlaubt die Landesregierung sämtlichen Bibliotheken, einen Abholservice anzubieten.
Ihre Entscheidung hat bei Bayerns Bürgerinnen und Bürgern, bei kulturellen und sozialen Einrichtungen, bei Kommunalpolitiker*innen, in der Bildungslandschaft Bayerns und bei den Bibliotheken selbst für sehr viel Unmut gesorgt. Dies zeigen die unzähligen Beschwerden in den Sozialen Medien, in Leserbriefen an Zeitungen und zahlreiche Schreiben, die an Ihre Ministerien in den letzten Wochen gerichtet wurden. Sie beklagen zu Recht, dass die Schlechterstellung und Verweigerung von „Click & Collect“ diejenigen am härtesten trifft, die Bibliotheken in Pandemie-Zeiten am nötigsten brauchen. Die Betroffenen sind insbesondere Schüler*innen, Studierende, kinderreiche Familien, sozial Benachteiligte mit und Senior*innen. Letztgenannte Gruppen können in der Regel auch nicht das erweiterte digitale Angebot vieler Büchereien wahrnehmen, weil sie nicht über die nötige technische Ausstattung verfügen. Einen Lieferservice können bisher nur vereinzelte Gemeindebüchereien und Universitätsbibliotheken anbieten. Die nicht unerheblichen Kosten für diesen Service haben die Kommunen selbst zu tragen, eine Unterstützung durch den Freistaat gibt es hier nicht. Es ist zynisch und entbehrt jeglicher Grundlage, Literaturinteressierte und Wissensdurstige aufzufordern, ihre Lektüre alternativ im Buchhandel zu kaufen. Dazu fehlt so vielen – insbesondere in den Zeiten der Krise – das Geld.
Bildung, Kultur und soziale Teilhabe müssen im Kultur- und Sozialstaat Bayern endlich wieder den Wert bekommen, den die Verfassung gebietet.
Es gibt keinerlei Gründe, Bibliotheken anders zu behandeln als den Einzelhandel. Die Bibliotheken haben schon vor den aktuellen Schließungen strikt sämtliche Hygienevorschriften eingehalten. Klagen über Zuwiderhandlungen sind nicht bekannt. Für „Click & Collect“ haben sie Modelle entwickelt, welche Ansteckungen mit größter Wahrscheinlichkeit ausschließen. Modelle, die weder personalintensiv sind, noch großer Vorbereitungen bedürfen. Ein Beispiel ist das Modell der „kontaktlosen Bibliothek“, das ab Mai vielerorts als To-Go-Leihe zur Anwendung kam und sich bewährt hat. Es sieht die Ausleihe am Regal und die Selbstverbuchung durch die Nutzenden vor, Bibliothekspersonal wird weder für Ausleihe noch Rückgabe benötigt. Auch Abholung bereits vorbestellter und verbuchter Literatur ist möglich.
Die Vorschläge der Landesfachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen fanden in Gesprächen mit den zuständigen Ministerien – wie zu hören ist – deutliche Zustimmung, wurden aber von der Staatskanzlei ohne stichhaltige Begründung abgelehnt.
Die Entscheidung, Bibliotheken und Archiven „Click & Collect“ zu untersagen, bei gleichzeitiger Erlaubnis dieses Systems für den Einzelhandel, ist für uns nicht nachvollziehbar.
Wir fordern Sie daher nachdrücklich auf, diese Entscheidung zu revidieren und „Click & Collect“ für Bibliotheken und Büchereien auch in Bayern endlich wieder zuzulassen.
Mit freundlichen Grüßen
Mona Fuchs, stellv. Fraktionsvorsitzende,Fraktion Die Grünen – Rosa Liste, München
Erhard Grundl, kulturpolitischer Sprecher Grüne Bundestagsfraktion, Straubing
Sanne Kurz, kulturpolitische Sprecherin Grüne Fraktion Bayerischer Landtag, München
Aus dem Deutschen Bundestag
Beate Walter-Rosenheimer, Fürstenfeldbruck
Ekin Deligöz, Neu-Ulm
Claudia Roth, Augsburg
Aus dem Bayerischen Landtag
Katharina Schulze, München
Patrick Friedl, Würzburg
Toni Schuberl, Passau
Verena Osgyan, Nürnberg
Ursula Sowa, Bamberg
Gisela Sengl, Traunstein
Tim Pargent, Bayreuth
Kerstin Celina, Würzburg Land
Stephanie Schuhknecht, Augsburg
Johannes Becher, Freising
Max Deisenhofer, Kammeltal
Claudia Köhler, München
Anne Franke, Starnberg
Sabine Weigand, Schwabach
Rosi Steinberger, Niederbayern
Florian Siekmann, München
Christina Haubrich, Aichach-Friedberg
Aus den bayerischen Landkreisen, Städten und Gemeinden
Katrin Habenschaden, 2. Bürgermeisterin München
Andrea Schmidt, Stadträtin Kitzingen
Susanne Günther, Stadträtin Freising
Natalie Keller und Gabriele Klaßen, Stadträtinnen Nürnberg
Konstantin Mack, Stadtrat Würzburg
Susanne Reuter, Stadträtin Eichstätt
Christiane Lischka-Seitz, Kreisrätin Nürnberger Land