Antrag
Alle jugendlichen Flüchtlinge bis 18 Jahren raus aus den Gemeinschaftsunterkünften!
Der Jugendhilfe nach SGB VIII Vorrang vor dem Asylverfahrensgesetz einräumen!
Der Stadtrat möge beschließen:
Alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge bis 18 Jahren sind zukünftig nicht mehr in Massenquartieren unterzubringen. Das Stadtjugendamt München prüft darüber hinaus für alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge bis 18 Jahren einen möglichen Jugendhilfebedarf und nimmt alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge mit einem festgestellten Jugendhilfebedarf in Obhut.
Begründung:
Spätestens seit der Rücknahme ihrer weitreichenden Vorbehalte zur UN Kinderrechtskonvention am 15.07.2010 ist die Bundesrepublik Deutschland dazu verpflichtet, die Wahrung des Kindeswohls für alle in Deutschland lebenden Kinder zu gewährleisten. Damit sind auch die Länder in der Pflicht, den Vorrang des Kindeswohls gemäß der UN Kinderrechtskonvention in ihren Landesgesetzen zu verankern! Dazu gehört u.a. auch die Grundsätze der Kinder- und Jugendhilfe (gemäß SGB VIII) für junge Flüchtlinge bis 18 Jahre anzuwenden. Erste Schritte in diese Richtung sind bereits in Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen erkennbar, die eine Prüfung des Jugendhilfebedarfs für alle Flüchtlinge bis 18 Jahre vornehmen. Diesem Beispiel sollte auch Bayern folgen!
Die rechtliche Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die mindestens 16 Jahre alt sind, wird durch das Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) sowie durch das Sozialgesetzbuch für Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) bestimmt. Das AsylVfG legt u.a. fest, dass jugendliche Flüchtlinge ab dem Alter von 16 Jahren asylmündig sind und Handlungen im Asylverfahren selbstständig vornehmen und durchlaufen müssen. Zudem müssen Jugendliche ab 16 während des laufenden Asylverfahrens in einer Erstaufnahmeeinrichtung bzw. Gemeinschaftsunterkunft wohnen (Vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
Gemäß SGB VIII (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, ausländische Kinder und Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland kommen, in seine Obhut zu nehmen. Mit der Inobhutnahme ist auch die Befugnis verbunden, die Jugendlichen in einer geeigneten Einrichtung oder sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen. Auch Volljährigen kann – i.d.R. bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres- Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zur eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und so lange die Hilfe auf Grund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist (Vgl. § 41 SGB VIII).
Entgegen der bisherigen Praxis in Bayern sprechen gute Gründe dafür, der Kinder- und Jugendhilfe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gemäß SGB VIII Vorrang vor den asyl- und ausländerrechtlichen Regelungen gemäß AsylVfG einzuräumen. Für einen klaren Vorrang des SGB VIII spricht ein Beschluss der Jugend- und Familienministerkonferenz vom 31.05./01.06.2012, der die Vorrangigkeit der Inobhutnahme vor der Unterbringung in einer Aufnahmeeinrichtung betont. Zudem ist nach der Rücknahme des Vorbehaltes zur UN Kinderrechtskonvention (ratifiziert durch Deutschland 1992) davon auszugehen, dass Einschränkungen bei der Inobhutnahme und Leistungsgewährung der Jugendhilfe nicht mehr bestehen. Damit sind unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ausnahmslos dem Schutzbereich des SGB VIII zuzurechnen. Gemäß der Kinderrechtskonvention ist bei allen Maßnahmen, die Kinder bis 18 Jahre betreffen, die Vorrangigkeit des Kindeswohls zu berücksichtigen (Vgl. Art. 1 und 3). Zudem sind die besonderen Bedürfnisse der getrennt von ihren Eltern lebenden Kinder (Vgl. Art. 20) und von Flüchtlingen (Art. 22) zu beachten. Basierend auf dieser Grundlage fordert die Jugend- und Familienministerkonferenz die Bundesregierung dazu auf, die Ziele der Kinderrechtskonvention in allen gesetzlichen Regelungen, die unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betreffen, sicherzustellen.
In München wäre eine Inobhutnahme bzw. eine Prüfung des Jugendhilfebedarfes aller Flüchtlinge bis 18 Jahre auch vor dem Hintergrund der vergangenen Ereignisse in den Aufnahmeeinrichtungen Bayernkaserne und Max-Pröbstl sowie Karl-Schmid-Straße sinnvoll. Die gewaltsamen Ausschreitungen zwischen schwer traumatisierten Jugendlichen untereinander sowie dem Wachpersonal gegenüber haben eindrucksvoll verdeutlicht, dass junge Flüchtlinge dringend sozialpädagogische Betreuung sowie ein sicheres Umfeld benötigen. Daher sollten alle jungen Flüchtlinge bis 18 Jahre in Jugendhilfeeinrichtungen oder Wohnprojekten untergebracht werden und nicht länger in Aufnahmeeinrichtungen leben müssen!
Fraktion Die Grünen – rosa liste
Initiative:
Gülseren Demirel
Siegfried Benker
Jutta Koller
Anja Berger
Mitglieder im Stadtrat