Antrag | 02.08.2012

Die Flüchtlingserstaufnahme in München langfristig endlich angemessen gestalten!

Der Stadtrat möge beschließen:

1.) Der Stadtrat begrüßt ausdrücklich das Bestreben der Regierung von Oberbayern, in München im Rahmen eines Neubaus eine angemessene Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (EAE) zu errichten.

2.) Für die Übergangszeit erarbeitet das Kommunalreferat umgehend einen Vorschlag, wie die vorgesehene Bebauung zeitlich und örtlich so geplant werden kann, dass die Erstaufnahmeeinrichtung bis zum Umzug auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne verbleiben kann. Dazu sollen Überlegungen angestellt werden, an welcher Stelle auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne die Erstaufnahmeeinrichtung am besten aufgehoben ist, welche Räumlichkeiten tatsächlich gebraucht werden und welche weiteren Gebäude dafür ggf. noch erschlossen (Strom, Warmwasser) werden müssen.

3.) Die Verwaltung wird beauftragt mit der Regierung von Oberbayern im Gegenzug die in der Vergangenheit immer wieder geforderten (und u.a. in den Leitlinien zu Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber (GU) des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen vom April 2010 vorgeschriebenen) Standards für Erstaufnahmeeinrichtungen bei der Planung der neuen Erstaufnahmeeinrichtung endlich umfänglich umzusetzen.

Zu diesen Standards gehören v.a.:

– angemessene Größe und Ausstattung der Unterkunft (pro vorgehaltenen Platz eine durchschnittliche Wohn-/Schlafraumfläche von mind. sieben Quadratmetern)

– abgeschlossene Wohneinheiten für Familien und Frauen mit Kindern

– gesonderte Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (umF) und unbegleiteten Flüchtlingen in einer kinder- und jugendgerechte Umgebung

– eine ausreichend ausgestattete Clearingstelle zur Feststellung des Jugendhilfebedarfs sofort nach Ankunft in der Erstaufnahmeeinrichtung

– Einhaltung der maximalen Verweildauer von drei Monaten in der EAE

– gesonderte Unterbringung von alleinstehenden Frauen

– ausreichende, der Belegung entsprechende Gemeinschaftsräume und Außenanlagen zur Freizeitgestaltung

– angemessene und ausreichende Gesundheits- und Hygienevorkehrungen

– ausreichende und umfassende Räumlichkeiten und personelle Ausstattung für die Kinderbetreuung und Beschulung von Kindern und Jugendlichen

– ausreichende Personalausstattung bei der Sozialbetreuung, Gesundheitsvorsorge, – und psychischen Versorgung insbesondere von Kindern und Jugendlichen

– die Einrichtung eines den EU-Aufnahme-Richtlinien entsprechendes Clearing zur Erkennung von traumatisierten Flüchtlingen. Die Früherkennung und Behandlung von Traumata muss sichergestellt werden

– Abschaffung der Essens- und Hygienepakete

4.) Darüber hinaus wird umgehend eine Taskforce „Flüchtlingsfrauen“ gegründet und von der Regierung von Oberbayern und der Landeshauptstadt München gemeinsam finanziert. Hierbei soll ein eigenständiger Blick auf die aktuellen Wohn- und Gefährdungssituationen von Flüchtlingsfrauen in Erstaufnahme- und Gemeinschaftsunterkünften geworfen werden, es sollen Aspekte wie Hygiene, Kinder und Gesundheit beleuchtet und verbessert werden. Dabei sollen Aufklärung, Information und Betreuung der Frauen in den Bereichen Gemeinwesenarbeit, Hygiene, Gesundheitsberatung und die Navigation durch das Gesundheitssystem verbessert werden. Insbesondere soll hier bei der Gesundheitsversorgung von Neugeborenen und Säuglingen sowie schwangeren, gebärenden Frauen und Wöchnerinnen deutlich nachgebessert werden. Auch müssen Fragen rund um die Betreuung und Versorgung von bereits vorhandenen Geschwisterkindern, deren Mütter gebären, geklärt werden. Insgesamt soll dazu geprüft werden, inwieweit bestehende Multiplikatorenarbeitsprojekte wie MiMi mit einbezogen bzw. vom RGU in Kooperation mit MiMi Honorarkräfte für die Multiplikatorenarbeit bereitgestellt werden können.

Begründung:

Es gibt bei der Regierung von Oberbayern seit längerem Bestrebungen in München, eine angemessene Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge zu errichten. Angesichts der nach wie vor unbefriedigenden Situation bei den Erstaufnahmeeinrichtungen in München begrüßen wir dieses Vorhaben ausdrücklich. Die Landeshauptstadt München arbeitet seit langem kontinuierlich daran, eine humanere Flüchtlingspolitik in München zu ermöglichen. Daher sollte sie auch hier alles unternehmen, um das Vorhaben der Regierung von Oberbayern zu unterstützen. Wir gehen davon aus, dass derzeit mit Nachdruck entsprechende Gespräche über mögliche Standorte geführt werden. Da sich erfahrungsgemäß die Verhandlungen und Planungen bei einem solchen Bauvorhaben einige Jahre hinziehen, kann mit einer Fertigstellung realistisch nicht vor 2017 gerechnet werden. Bis dahin muss also eine Übergangslösung gefunden werden.

Die Landeshauptstadt München sollte hierbei der Regierung von Oberbayern ihre Unterstützung zukommen lassen und eine solche Übergangslösung finden. Die größere Erstaufnahmeeinrichtung in München befindet sich derzeit auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne, die neu bebaut werden soll. Der Vertrag bezüglich der Nutzung eines Gebäudes der ehemaligen Bayernkaserne durch die Regierung von Oberbayern als Erstaufnahmeeinrichtung ist daher derzeit bis Ende 2013 befristet. Es muss also die Zeit zwischen 2014 und 2017 überbrückt werden. Erfahrungsgemäß werden aber nicht im Januar 2014 schon die ersten Bagger auf dem Gelände anrollen, höchstwahrscheinlich wird das Gelände außerdem in verschiedenen Bauabschnitten bebaut. Hier fordern wir die Verwaltung auf, innovative, vorausschauende und flexible Lösungen zu finden, wie bis zum Bezug der neuen Einrichtung die Erstaufnahmeeinrichtung mit einem Mindeststandard an Größe und Ausstattung auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne bleiben kann. Ein Umzug aus dem jetzigen Gebäude ist dabei genau so in Betracht zu ziehen wie das Hinzuziehen weitere Gebäude um der tatsächlichen Belegung mit einem Minimum an Wohn-/Schlafraumfläche pro Platz gerecht zu werden. Diese Zusicherung der Stadt München schafft endlich Planungssicherheit für die mit der Versorgung und Betreuung beauftragten Stellen, Institutionen und Menschen. Somit können mittelfristig sinnvolle Strukturen vor Ort aufgebaut und genutzt werden und ein Minimum an Betreuungs- und Alltagsgestaltungsstandards auch schon in der Bayernkaserne endlich umgesetzt werden.

Im Gegenzug für dieses Entgegenkommen der Landeshauptstadt München fordern wir von der Regierung von Oberbayern, in der künftigen neu zu bauenden Erstaufnahmeeinrichtung definitiv und vollumfänglich die Umsetzung der Standards, wie sie auf Europäischer Ebene, von Flüchtlingsorganisationen und Grünen auf allen Ebenen immer wieder gefordert wurden und in den Leitlinien zu Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (StMAS) im April 2010 z.T. festgehalten sind. Diese Leitlinien müssen auch für die Erstaufnahmeeinrichtung gelten. Insbesondere die dort vorgeschriebene Mindestfläche von sieben Quadratmetern pro Person und maximal vier Personen pro Zimmer, sofern sie nicht miteinander verwandt sind, müssen dort baulich und planerisch sichergestellt werden. Es müssen der tatsächlichen Belegung entsprechend ausreichend Hygiene- und Waschräume sowie ausreichend Platz für Kochtätigkeiten und die Essenszubereitung eingeplant werden. Ebenso muss die gesonderte Unterbringung von Familien, jungen unbegleiteten Flüchtlingen und alleinstehenden Frauen (mit und ohne Kindern) in eigenen Gebäudeeinheiten gewährleistet werden. Gerade Familien und Frauen mit ihren Kindern benötigen eigene, abschließbare Wohneinheiten mit – je nach Größe der Familien – mind. zwei Zimmern.

„Insbesondere Gesundheit und sittliches Empfinden der Bewohner sind hohe Güter, die der Fürsorge und des Respekts der staatlichen Stellen bedürfen“.

Entsprechend diesem Leitsatz des StMAS muss auch die gesundheitliche Versorgung umfänglich gewährleistet sein, dazu gehören u.a. auch die angemessene Vor-, Nach- und Versorgung von Schwangeren und Gebärenden, das Erkennen und die Behandlung von Traumatisierungen und die Aufklärung über die Möglichkeiten der Gesundheitsversorgung.

Für die Landeshauptstadt München bedeutet eine Übergangslösung auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne eine enorme Rücksichtnahme in der Planungsarbeit und verkompliziert das Neubebauungsvorhaben erheblich. Daher fordern wir von der Regierung von Oberbayern für diese Vorschussleistung und dieses Entgegenkommen die Garantie, dass endlich entsprechend der oben angeführten Maßnahmen richtige menschenwürdige Standards in der Erstaufnahmeeinrichtung eingeführt und gewährleistet werden.

Um außerdem diese Übergangslösung für die Menschen, die in den derzeitigen Erstaufnahmeeinrichtungen leben, insbesondere aber für die dort lebenden Frauen, Schwangeren und Gebärenden, zumindest befriedigend zu gestalten, muss umgehend im Bereich der Gesundheitsvorsorge von Neugeborenen, Säuglingen und deren Mütter bzw. deutlich nachgebessert werden. Unter den derzeitigen Bedingungen wissen z.B. Gebärende nicht, wer ihre bereits vorhandenen Kinder versorgt, wenn sie zur Geburt ins Krankenhaus müssen. Es fehlen außerdem Windeln, Säuglingsnahrung und Stilleinlagen sowie eine ordentliche Hebammenvor- und -nachsorge der Geburt.

Fraktion Die Grünen – rosa liste
Initiative:
Siegfried Benker
Gülseren Demirel
Jutta Koller