Pressemitteilung | 10.08.2020

100 Tage Grüne Regierungsbeteiligung

Am 12. August sind Die Grünen – Rosa Liste als stärkste Kraft im Stadtrat 100 Tage an der Regierung dieser Stadt beteiligt – traditionell der Zeitpunkt für eine erste kleine Bilanz.

Wie das gesamte öffentliche Leben standen diese ersten 100 Tage unter den Vorzeichen der Corona-Pandemie, die für die Münchner*innen wie auch die Politik außergewöhnliche Herausforderungen mit sich gebracht hat. Es ist ein ermutigendes Zeichen für den sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt, dass diese Herausforderungen bisher mit großer Disziplin und Einsicht in die notwendigen Beschränkungen gemeistert worden sind. Unser Dank gilt hier vor allem den Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung, die unter schwierigen Bedingungen erhebliche Mehrarbeit geleistet haben.

Der Stadtrat hat die notwendigen Beschlüsse zur Bekämpfung der Pandemie mit großer Einmütigkeit verabschiedet. Und der Stadtrat tut, was er kann, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufedern und den Menschen während der Schließung so vieler Gaststätten sowie Sport- und Kultureinrichtungen andere Formen sozialen Miteinanders zu ermöglichen – man denke nur an den „Sommer in der Stadt“.

Dazu gehört auch die Umverteilung von Straßenraum, der bisher vom Autoverkehr dominiert war, zugunsten anderer Zwecke. Dies ist eine Kernforderung der Münchner Grünen, die dieses Thema schon 2008 im Wahlprogramm hatten und es seitdem  immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt haben – nun endlich mit Erfolg. Mit den neuen Mehrheiten im Stadtrat ist es möglich, Straßenraum rasch und flexibel neu zu verteilen.

Der Koalitionsvertrag der neuen Regierung zeigt nicht nur in diesem Punkt eine klare grüne Handschrift. Etliche Ziele und Maßnahmen in der Verkehrspolitik, Klimaschutzpolitik, der Wohnungspolitik, beim sozialen Zusammenhalt und beim Naturschutz, bei denen wir auch in Zeiten von Rot-Grün (nicht zu reden von Schwarz-Rot) nur sehr langsam oder gar nicht vorwärts gekommen sind, rücken nun, da die schwarz-rote Selbstblockade beseitigt ist, in greifbare Nähe und stehen weit oben auf der Agenda der Stadtpolitik. Erste wichtige Beschlüsse sind bereits gefasst:

  1. Was Die Grünen vor fünf Jahren schon einmal für die Lindwurmstraße gefordert haben – die Abmarkierung von Radstreifen auf der Autofahrbahn – ist unter dem Titel „Pop-Up-Bike-Lanes“ im Zuge der Corona-Krise an anderen Stellen ein voller Erfolg geworden. Das gewachsene Platzbedürfnis des Radverkehrs wurde befriedigt ohne dass – wie es uns die Lobby der Autofahrer*innen immer prophezeit hat -– der Autoverkehr zusammengebrochen wäre.
  2. Ein echter Gewinn für die Stadt sind die Schanigärten, die schnell eine große Anhängerschaft gewonnen haben. Die Grünen haben dies unter dem Titel „Saisonale Umwandlung von Parkplätzen in Freischankflächen“schon vor zwei Jahren gefordert, also lange vor Corona. Noch 2019 wurden in lediglich einer (!) Straße, der Schwanthalerstraße, acht Parkplätze in sogenannte Parklets umgewandelt. Jetzt ist es gelungen, in wenigen Wochen über 400 Schanigärten zu genehmigen, auf Kosten von ca. 950 Parkplätzen, die zu diesem Zweck umgewandelt wurden. Beschwerden halten sich in einem überschaubaren Rahmen.
  3. Ähnliches gilt für die Nachbarschaftsstraßen. Verkehrsberuhigte Straßen bzw. temporäre Fußgängerzonen im Sommer fordern wir schon lange, z.B. mit dem Antrag „Lebendige Straßen” nach Vorbild der Stadt Gent aus dem Jahre 2015.  Doch was ist in der letzten Wahlperiode geschehen? Eine einzige Straße wurde unter dem Titel „Sommerstraße” temporär umgestaltet – und dabei handelte es sich in diesem Fall nicht einmal um eine Straße, sondern um den Alpenplatz in Giesing. Nun wurden auf Grund des grün-roten Antrags „Straßen sind für alle da – Nachbarschaftsstraßen in allen Stadtbezirken schaffen!“ in erfreulich kurzer Zeit drei temporäre Nachbarschaftsstraßen eingerichtet (Zenettiplatz, Südliche Auffahrtsallee, Westenriederstraße). Insgesamt sollen es 15 Straßen werden, in denen Fußgänger in diesem Sommer Vorrang vor Autos haben (Ehrengutstraße, Hohenschwangaustraße, Passionistenstraße, Schwemmstraße, Maronstraße, Hinterbärenbadstraße, Am Glockenbach, Mildred-Scheel-Bogen, Valpichlerstraße, Astallerstraße, Margarete-Schütte-Lihotzky-Straße, Mondstraße).Auch diese Errungenschaft wollen wir in den kommenden Jahren verstetigen – und zwar in erweiterter Zahl. Und einige dieser Straßen, wie beispielsweise die Westenriederstraße, könnten auch dauerhaft zu einer Fußgängerzone werden.

  4. Bereits seit unserem Einzug in den Stadtrat 1984 vertreten wir Grünen die Position, dass hohe Investitionen in neue Autotunnel keinen Beitrag zu einer modernen und klimagerechten Verkehrspolitik leisten.
    Bereits 2015 hatten wir mit mehreren Anträgen sinnvolle und schnell umsetzbare Alternativen zu den Autotunneln an der Tegernseer Landstraße und der Landshuter Allee gefordert. Trotz zahlreicher naturschutzfachlicher und technischer Einwände war die GroKo jedoch zu keinem Umdenken gekommen. Wir Grüne sorgen nun endlich für Ehrlichkeit und beerdigen die monströsen Tunnelplanungen, die als verlogenes Heilsversprechen eine moderne Verkehrspolitik verhindert haben. Die freigewordenen Ressourcen werden wir für eine Verkehrswende, für den Ausbau des ÖPNV und für den Emissionsschutz für die betroffenen Anwohner*innen einsetzen, die seit vielen Jahren unter Verkehrslärm und -emissionen zu leiden haben.
  5. Der Wohnungsbau im Münchner Norden wird als Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) realisiert. Auch hier haben die neuen Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat eine Wende hin zur Grünen Position ermöglicht.
    Unser Ziel ist es weiterhin, im Nordosten wie im Norden, den größeren Teil der ausgewiesenen Flächen langfristig von Bebauung frei zu halten und als Erholungs-, Agrar- und Naturschutzflächen zu sichern. Wir Grünen sind weiterhin von dem Prinzip der großräumigen Planung in Kooperation mit allen Beteiligten überzeugt und werden die nötige Überzeugungsarbeit leisten, welche es braucht, um langfristig bezahlbaren Wohnraum zu realisieren.
  6.  Der Schaffung dauerhaft bezahlbaren Wohnraums dienen auch die von der grün-roten Mehrheit  gefassten Beschlüsse, städtisches Bauland (auch an Genossenschaften)nur noch im Erbbaurecht zu vergeben  und das Programm „München Modell Eigentum“ ganz abzuschaffen. Schon für die Vergabe von Flächen des Kreativquartiers und der Bayernkaserne hat der Stadtrat dieses neue Verfahren beschlossen. 
  7. Mit Freude haben wir zur Kenntnis genommen, dass es nun auch Mehrheiten gibt, um das Haus mit der Roten Fahne zu retten, das seit 40 Jahren Geschichte und Kultur der Münchner Arbeiterschaft thematisiert und nicht mehr wegzudenken ist aus der Schwanthalerhöhe – auch dies seit langem eine Forderung der Grünen.
  8. Auch in der Haushaltspolitik sind klare Konturen grüner Politik zu erkennen. Notwendige Einsparungen setzen vor allem bei den kostspieligen Tunnelplänen an. Auf der Ausgabenseite verwirklichen wir jetzt die Finanzpolitik, die wir schon in der letzten Wahlperiode immer gefordert haben: eine klare Prioritätensetzung statt einer Politik des „Wünsch-dir-was“. Die Grünen – Rosa Liste setzen ihre Schwerpunkte vor allem in der Trias aus Klimaschutz, Verkehrswende und sozialem Zusammenhalt, der gegenwärtig insbesondere durch den äußerst angespannten Wohnungsmarkt gefährdet ist.
  9. Diese Prioritätensetzung zeigt sich auch in der neuen Struktur der städtischen Referate. Die Gründung des Mobilitätsreferats reagiert auf die großen Herausforderungen, vor denen die Stadt durch die notwendige Verkehrswende steht. Die Umverteilung des Straßenraums zugunsten von ÖPNV, Rad- und Fußverkehr, die Herstellung von mehr Lebensqualität im öffentlichen Raum sowie die Erreichung der klima- und umweltpolitischen Ziele im Verkehrsbereich erfordern die Bündelung der entsprechenden Kompetenzen. Doch die Mobilitätswende kann nur gelingen, wenn in der Verkehrsplanung auch genug Fachpersonal angesiedelt wird, um die Verkehrswende auf die Straße zu bringen  – eine Aufgabe, der sich Die Grünen in den Haushaltsberatungen mit Nachdruck gewidmet haben.
  10. Auch die gestiegene Bedeutung der Klimaschutzpolitik wird sich in einem eigenen Referat manifestieren, in dem die Zuständigkeit für das Erreichen der Klimaziele mit Kompetenzen für den Umwelt- und Naturschutz sowie für klimagerechtes Bauen zusammengefasst werden.
    In der letzten Wahlperiode wurde lange nur halbherzig gehandelt. Unter dem Eindruck der FridaysForFuture-Bewegung und auf unseren Druck hin wurden die Ziele 2019 endlich nachgeschärft: München soll bis 2035 weitgehend klimaneutral sein. Zudem hat Grün-Rot ein Fachgutachten zur Klimaneutralität beantragt, damit nicht nur hehre Ziele ausgegeben sondern auch wirksame Maßnahmen zur Umsetzung eingeleitet werden. Für die Verwirklichung von Klimaneutralität ist der massive Ausbau der Solarenergie ein entscheidender Faktor. Hier haben wir mit einem grün-roten Antrag erste Schritte eingeleitet, um die Installation von PV-Anlagen auf städtischen Dächern zu forcieren und für alternative Anbieter mit Bürgerbeteiligungsmodellen zu öffnen. Demselben Ziel dient auch der Antrag für eine neue, größere Photovoltaik-Anlage auf der ehemaligen Deponie Nord-West.
  11. Die Schaffung von Räumen für Kultur und Gemeinschaft vernachlässigen wir auch in den Außenstadtbezirken nicht. Die insbesondere von unserem ehemaligen Stadtrat Herbert Danner vorangetriebene Sanierung des Kopfbaus der Tribüne in der Messestadt Ried wurde im Juni endlich beschlossen, ebenso wie im Juli ein vielseitiges Nutzungskonzept für das Stadtteilkulturzentrum am Hanns-Seidel-Platz.

Ausblick

Der Haushalt 2020 ist im Wesentlichen noch von Schwarz-Rot beschlossen worden. Der Haushalt 2021 wird der erste grün-rote Haushalt sein und muss erkennbar vom Reformwillen geprägt sein. Für Die Grünen – Rosa Liste bedeutet das – in finanziell voraussichtlich schwierigen Zeiten – das Festhalten an der oben skizzierten Prioritätensetzung: Klimaschutz, Verkehrswende und sozialer Zusammenhalt.

Darüber hinaus gilt es intelligent und gestaltend zu sparen – indem wir durch Entbürokratisierung, Abbau von Doppelstrukturen, Aufgabenkritik sowie schlankere digitale Prozesse Effizienzpotentiale in der Verwaltung nutzbar machen. Dazu ist es sinnvoll, eine Verwaltungsreform auf den Weg zu bringen.

Die Grünen streben eine Reform der städtischen Erbbauverträge an, damit sie auch für die Genossenschaften eine langfristige Perspektive bieten, denn die Stadt braucht diese Akteure dringend im Wohnungsbau. 
Wir haben uns außerdem zum Ziel gesetzt, bis zum Jahresende einen Grundsatzbeschluss zur neuen SoBoN herbeizuführen.

Im Wahlkampf haben Die Grünen ein Budget von 100 Mio. Euro jährlich für weitergehende Klimaschutzinvestitionen gefordert, das auch Eingang in den grünroten Koalitionsvertrag fand. Wir werden dafür sorgen, dass die Stadt ihre Klimaschutzziele erreicht und damit in unsere Zukunft investiert.

Die Grünen – Rosa Liste setzen sich für eine konsequente Fortsetzung der Umverteilung des Straßenraums ein. Die Pop-Up-Radwege wollen wir auch nach der Corona-Krise erhalten und ausweiten, denn sie haben sich bewährt. Das gilt ebenso für die Schanigärten und die Nachbarschafts- bzw. Sommerstraßen.

Die Umsetzung des Radentscheids muss wieder mehr Fahrt aufnehmen – so wie es mit den Trägern des Bürgerentscheids vereinbart worden ist. Die Planung zentraler Teile des Altstadt-Radlrings sollte in den nächsten Monaten Priorität haben. Dazu muss auch das nötige Personal eingesetzt werden.

Wir halten fest an der Forderung nach dichteren Takten beim ÖPNV. Ziel bleibt der 5-Minuten-Takt tagsüber bei der U-Bahn und dichtere Frequenzen bei Tram und Bussen.

Die Bewerbung der Stadt um die Gay Games werden wir hoffentlich in die nächste Phase und zu einem erfolgreichen Ende führen können.