Antrag | 17.01.2012

Wer hat Gaddafi bei seinem Aufenthalt in München so geschont?

Anfrage

Wer hat Gaddafi bei seinem Aufenthalt in München so geschont?
Welche Bundes- und Landesbehörden tragen die Verantwortung?
Um Genaueres über die Umstände zu erfahren, die zu einer Aufenthaltserlaubnis für Saif al-Arab Gaddafi in München geführt haben, habe ich am 8. Juli 2011 eine Anfrage gestellt. Durch eine Anfrage der Grünen im Landtag vom 8. 11. 2011, die vom zuständigen Justizministerium am 12. 12. 2011 beantwortet wurde, sowie durch eine Reihe von Presseartikeln ergeben sich Nachfragen zum Aufenthalt des Gaddafi-Sohnes.
Ich frage:

1. In der Beantwortung meiner Anfrage wird dargelegt, dass Gaddafi mit einem italienischen Schengenvisum im Jahr 2006 in die BRD eingereist ist. Am 22. 7. 2007 stellte er einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Durchführung studienvorbereitender Sprachkurse. Hieraufhin wurde ihm am 26. 7. 2007 – vier Tage später – eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr bis zum 31. 7. 2008 erteilt.

a. Ein Schengenvisum hat eine Laufzeit von maximal drei Monaten. Traf dies auch auf das Schengenvisum von Gaddafi zu?

b. Wenn dies zutrifft, wann genau ist das Schengenvisum abgelaufen?

c. Gab es einen Zeitraum, in dem sich Gaddafi illegal in der BRD bzw. in München aufgehalten hat? Teilt das KVR die Ansicht des Auswärtigen Amtes, niedergelegt in einem Schreiben an das Bayerische Innenministerium vom 10. Juli 2007, dass ein illegaler Aufenthalt nicht vorläge, da die Einreise mit einem Schengenvisum erfolgt sei? Trifft es nicht eher zu, dass zwar die Einreise legal, der Aufenthalt dann aber nach Ablauf des Schengenvisums illegal war?

d. Wie beurteilt das KVR die Tatsache, dass die Einreise zu Touristenzwecken erfolgte, dann aber ein Wechsel des Aufenthaltszweckes vorgenommen wurde. Ist es üblicherweise möglich, dass das Visumsverfahren nach der Einreise im Inland stattfindet?

e. Sind Straftaten aus diesem Zeitraum – vor der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis – bekannt geworden?

f. Wurde der Verdacht eines illegalen Aufenthaltes überprüft bzw. diskutiert, bevor ihm am 26. 7. 2007 eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt wurde?

g. Mit welchen Behörden stand das Ausländeramt München zu welchem Zeitpunkt im Kontakt? Welche Interventionen gab es von Seiten Bayerischer Ministerien, der Bayerischen Staatskanzlei, der Regierung von Oberbayern bzw. von Seiten der Visaabteilung des Auswärtigen Amtes? Waren weitere Behörden in diesen Vorgang involviert?

h. In der SZ vom 17. 1. 2012, S. 5, wird ausgeführt, dass das Auswärtige Amt die Visaerteilung „als rein bayerische Angelegenheit“ betrachtete. In der Beantwortung meiner Anfrage vom 8. Juli 2011 wird dagegen dargelegt, dass die Visaerteilung „in Rücksprache mit dem Auswärtigen Amt, Visaabteilung“ erfolgte. Wer konkret hat entschieden, dass – unter Umgehung des sonst üblichen Visaverfahrens – eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde?

2. Die erste erteilte Aufenthaltserlaubnis lief am 31. 7. 2008 ab. Zwei Tage vorher, am 29. 7. 2008 beantragte Gaddafi eine erneute Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke eines Studiums. Welche Behörden waren in diesen erneuten Vorgang involviert. Mit welchen Behörden hat das KVR die erneute Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besprochen? Welche Rücksprachen fanden konkret mit dem Auswärtigen Amt, der Bayerischen Staatsregierung oder der Regierung von Oberbayern statt? Wer fällte im Endeffekt die Entscheidung zu einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis?

3. Welche Straftaten Gaddafis waren zu diesem Zeitpunkt der Ausländerbehörde bereits bekannt?

4. Am 24. 10. 2008 erteilte die Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis gültig bis zum 28. 10. 2009. Wiederum zwei Tage vor Ablauf dieser Aufenthaltserlaubnis beantragte Gaddafi eine erneute Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke eines Studiums. Aus der Beantwortung meiner ersten Anfrage zu diesem Komplex geht hervor, dass hierzu intensive Rücksprache mit der Regierung von Oberbayern, dem Auswärtigen Amt sowie der Bayerischen Staatskanzlei erfolgte. Was genau war der Inhalt dieser Rücksprache? Inwiefern spielten die wiederholten Straftaten Gaddafis bei der Entscheidung zugunsten einer weiteren Aufenthaltserlaubnis hierbei eine Rolle? Wer genau entschied am Ende, Gaddafi eine mehrjährige Aufenthaltserlaubnis – gültig bis zum 31. 1. 2012 (!) zu erteilen?

5. Bereits parallel zur Prüfung über die Erteilung dieser weiteren Aufenthaltserlaubnis beantragte Gaddafi beim Landratsamt Ebersberg die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis als Hochqualifizierter nach § 19 Aufenthaltsgesetz. Versuchte Gaddafi bereits vorher in München eine solche Niederlassungserlaubnis zu erhalten? Wenn ja, wie stellt sich dieser Vorgang dar?

6. Nach Auskunft des KVR in der Beantwortung meiner ersten Anfrage verzichtete das Ausländeramt auf die sonst zwingend vorgeschriebene Sicherheitsbefragung. Wie stellt sich dieser Vorgang genau dar? Mit welchen Behörden stand das KVR über diese Frage in Kontakt? Wer hat im Endeffekt entschieden, dass eine Sicherheitsbefragung nicht stattfinden sollte? Wie viele Straftaten Gaddafis waren zu diesem Zeitpunkt bekannt?

7. Inwieweit waren die Münchner Polizeibehörden in die Entscheidungen und Gespräche im Hintergrund eingebunden?

Siegfried Benker
Mitglied des Stadtrates