Pressemitteilung | 26.04.2019

Urbanes Flair an der innerstädtischen Isar: Lebenslust statt Autofrust

PRESSEPAPIER

Stadt und Fluss – Rahmenplanung innerstädtischer Isarraum“

am 2. Mai 2019 im Planungsausschuss

Grün-rosa Initiativen zur innerstädtischen Isar seit 10 Jahren

Vor nunmehr 10 Jahren, am 3. April 2009, hat die grün-rosa Fraktion auf der Museumsinsel bei Brezn, Croissants und Kaffee eine Pressekonferenz gegeben zur Vorstellung eines Antragspakets mit dem Motto „Urbanes Flair an der Isar – Die Stadt öffnet sich der innerstädtischen Isar“. Damals schlugen wir unter anderem Ausblicke und Stadtbalkone vor und wollten gerade die vom Verkehr umtoste Westseite der innerstädtischen Isar menschengerechter gestalten. Andere Parteien und gerade unser damaliger Koalitionspartner reagierten verhalten bis skeptisch.

Von links: Paul Bickelbacher, Florian Roth, Siegfried Benker – Copyright: Münchner Wochenanzeiger

Seither haben wir etliche weitere Anträge zur innerstädtischen Isar gestellt, beispielsweise im November 2013 zur würdigen Platzgestaltung für die Ludwigsbrücke, zum Lehrpfad Kleine Isarseite am Ostufer, besonders aber mehrere Anträge zur Gestaltung einer innerstädtischen Isarpromenade am Westufer mit Balkonen und Treppen.

Visionärer Grundsatzbeschluss 2015 zur „Stadt am Fluss“

Oktober 2015, also sechseinhalb Jahre nach unserer ersten Initiative, war es dann endlich soweit: Der Stadtrat fasste einen Grundsatzbeschluss mit dem Titel „Stadt am Fluss“, in dem viele unserer Ideen aufgenommen wurden.

Auf unseren Ergänzungsantrag hin wurden in den finalen Beschluss zwei entscheidende Punkte aufgenommen:

  • „2. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung wird beauftragt in Zusammenarbeit mit allen beteiligten Behörden und Gremien, auf Basis der
    stattgefundenen Untersuchungen, einen Isarplan II „Innenstadt“ mit konkreten Maßnahmen, Zeit- und Umsetzungsschritten (z.B. nach in Angriff zu nehmenden Teilabschnitten geordnet) zu erarbeiten und dem Stadtrat 2016 zur Entscheidung vorzulegen. Dabei ist, wie bereits im Vorfeld praktiziert, eine umfangreiche begleitende Bürgerbeteiligung einzuplanen.“

  • „8. Das Baureferat wird gebeten, im Rahmen des zu erarbeitenden Sanierungskonzeptes für die Ufermauern, für den Bereich der Isar zwischen der Reichenbach- und Luitpoldbrücke konkretisierende Planungen/Machbarkeitsstudien für eine Promenade am Fluss zu entwickeln und in die Erarbeitung des unter Punkt 2 beschriebenen Isarplan II „Innenstadt“ einzubringen. Dabei sollten auf der Westseite der Isar v.a. folgende Elemente berücksichtigt werden:
    • Verbreiterung des Bereiches für den Fuß- und Radverkehr entlang der Isar und Abgrenzung/Abschirmung zur Straße durch ein Grünband
    • Errichtung von attraktiven Sitzgelegenheiten
    • Isarbalkone und Treppen zum Fluss mit Sitzstufen (insbesondere im Abschnitt zwischen Cornelius- und Ludwigsbrücke)“

Dazu sollte eine Verkehrsuntersuchung „bis zur Sommerpause 2016“ erstellt werden, in der Spielräume für Verbreiterungen einer Isarpromenade auf Kosten des Autoverkehrs zu eruieren wären.

Innerstädtische Isar im großkoalitionären Dornröschenschlaf seit 2015

Das Jahr verstrich und auf Stadtratsebene geschah … nichts. Die GroKo-Stadtregierung schien, was Stadt und Fluss anging, in einen Dornröschenschlaf verfallen zu sein. Erst zur Jahreswende 2018/2019 (also mit fast zweieinhalb Jahren Verspätung) machten zwei Beschlussentwürfe die Runde. Auf den ursprünglichen fraktionsübergreifenden Enthusiasmus, die Isar den Menschen wiederzugeben (und ein bisschen von Blechlawinen zu befreien), hatte sich der großkoalitionäre Mehltau gelegt. Denn nachdem der Berg dreimal so lange wie beschlossen gekreißt hatte, gebar er zwei mäuschenhafte Beschlussvorlagen (erstens zur Verkehrsuntersuchung hinsichtlich der westlichen Isarparallele, zweitens allgemein zu Sachstand und weiteren Vorgehen von ‚Stadt und Fluss’) – eine an Lächerlichkeit grenzende Arbeitsleistung der GroKo.

Fazit aus der Verkehrsuntersuchung war (nur leicht verkürzt): Im Grundsatz sollten die Autospuren auf Isarparallele und Ludwigsbrücke in ihrem derzeitigen Zustand erhalten bleiben. Quintessenz der allgemeinen Vorlage zum lange erwarteten Isarplan war (nur leicht verkürzt):
Wir haben in den drei Jahre ein paar Büsche ausgelichtet für bessere Blickbeziehungen zur Isar und wollen uns nun beauftragen lassen, weiter zu planen – Konkretes wird rein gar nichts zur Beschlussfassung vorgeschlagen.

Diese Mutlosigkeit konnte in der letzten Vollversammlung glücklicherweise zumindest bezüglich der Ludwigsbrücke nach einer Spaltung der GroKo in dieser Frage mit einer rot-grün-bunten Mehrheit überwunden werden: Die Ludwigsbrücke soll zukünftig nur noch einspurig in jeder Richtung befahren werden, der so entstandene Platz wird dem Fuß- und Radverkehr sowie dem Öffentlichen Nahverkehr zugutekommen.

Gestaltung innerstädtische Isar als Prüfstein einer echten Verkehrswende

Was wir jetzt aber brauchen ist es eine Fortsetzung einer mutigen Politik der Mehrheit des Stadtrats für Lebensqualität und menschengerechte Gestaltung der “Promenade am Fluss” (so der Beschlusstext von 2015).

Oberbürgermeister Dieter Reiter hatte in seiner Grundsatzrede zur Verkehrswende Anfang dieses Jahres davon gesprochen, dass München mehr öffentlichen Raum für die Menschen braucht und nicht nur Verkehrsraum für Autos. Hier an der Isar – dem Fluss, der mehr als alles andere die Identität dieser Stadt prägt (mehr als die Wiesn oder der Fußball etwa) – wird sich zeigen, ob diesen Worten Taten folgen.

Nicht erst Anfang 2019 mit Diskussion und Beschlüssen zur sog. “Modellstadt 2030” ist die Verkehrswende offizielle Beschlusslage der Stadt, sondern schon seit Anfang 2017 mit der Übernahme des Bürgerbegehrenstextes von „Sauba sog I“ durch den Stadtrat. Hier wurde beschlossen, bis 2025 den Modal Split (also die Aufteilung der zurückgelegten Verkehrswege nach Verkehrsmittel) deutlich zuungunsten des fossil betriebenen individuellen Autoverkehrs zu verändern.

Wie wenig die Stadtregierung diesen Beschluss bislang ernst nahm, zeigt sich auch darun, dass in der Beschlussvorlage zur Verkehrsuntersuchung einfach davon ausgegangen wird, dass es keine Änderung des Modal Split gebe wird – eine eklatante Missachtung des Stadtratsbeschlusses von 2017 also. Es wird nicht einmal ein Alternativszenario untersucht, in dem der Stadtratsbeschluss als bis 2025 umgesetzt prognostiziert wird. Stattdessen: reines auto-fatalistisches Status-Quo-Denken.

Grün-rosa Änderungsvorschläge für die Beschlussfassung zur innerstädtischen Isar

Beide Beschlüsse (die auf sinnwidrige Weise getrennt sind statt in einer integrierten Vorlage zum Isarplan unter Berücksichtigung der Verkehrsuntersuchung integriert zu sein) müssen radikal verändert werden, damit hier die Vision einer nicht von Autofunktionalität sondern von Lebensqualität geprägten innerstädtischen Isarpromenade lebendig bleibt.

Aus unserer Sicht wären das – und wir befinden uns hier weitgehend im Konsens mit den Stellungnahmen der betroffenen Bezirksausschüsse – acht Punkte:

  1. Der Stadtrat bekennt sich grundsätzlich zum Ziel der Reduzierung der Fahrbahnen auf der westlichen Isarparallele als Voraussetzung einer wirklich lebenswerten und attraktiven Isarpromenade.

  2. Den Berechnungen der Verkehrsuntersuchung wird als Alternativmodell die Modal-Split-Veränderung des Stadtratsbeschlusses zum Sauba-sog-I-Bürgerbegehren zugrunde gelegt.

  3. Neben der Attraktivitätssteigerung des Radverkehrs durch breitere und komfortable Radwege an der Isar entlang sollen auch Verbesserungen des Angebots des Öffentlichen Personennahverkehrs parallel zur Isar über die bestehende Buslinie 132 hinaus als Alternativen zum Motorisierten Individualverkehr umgesetzt werden.

  4. Zur Vermeidung von Ausweich- und Schleichverkehr in die benachbarten Stadtviertel sollen die in München bereits in den 80er Jahren erfolgreich umgesetzten Konzepte zur Verkehrsberuhigung angewendet werden, die Durchgangsverkehre mit Einbahnstraßenregelungen und Durchfahrverboten (mit Ausnahme von Anwohnenden, Geschäftsverkehr etc.) vermeiden. Zum Gärtnerplatzviertel liegt hier schon ein Antrag unserer Fraktion vor (nach Vorbild der „Superblocks“ in Barcelona), dessen Umsetzung die Gefahr des Ausweichsverkehrs stark verringern würde (https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/ris_antrag_detail.jsp?risid=5035222). Einbahnregelungen, Zufahrts- und Durchfahrtsbeschränken, Abbiegeverbote und Ampelschaltungen haben ja auch in Haidhausen Schleichverkehr vermieden.

  5. Ein großer Teil der Parkplätze an der Isarparallele kann wegfallen, wenn für Anwohnende ein Ausgleich dadurch geschieht, dass (siehe Konzept Gärtnerplatzviertel) in den angrenzenden Wohn- und Geschäftsvierteln die Parkplätze nur noch für Anwohnende und Wirtschaftsverkehr reserviert werden.

  6. Der durch Reduzierung des Raumes für fließenden und ruhenden MIV gewonnene Platz soll für die ursprünglich intendierte “Promenade am Fluss” mit “Verbreiterung des Bereiches für den Fuß- und Radverkehr entlang der Isar und Abgrenzung/Abschirmung zur Straße durch ein Grünband“ sowie “Errichtung von attraktiven Sitzgelegenheiten” genutzt werden.

  7. An den in der Beschlussvorlage vorgeschlagenen Orten insbesondere gegenüber den Patentämtern sollen „Isarbalkone und Treppen zum Fluss mit Sitzstufen“ (so der Beschluss von 2015 auf Grundlage des Antrags unserer Fraktion von 2013) errichtet werden. Die Bauarbeiten sollen spätestens 2020 beginnen.

  8. Im Sommer 2019 soll (im Sinne der Anträge zu Lebendigen Straßen, Sommerstraßen, Temporären Fußgängerzonen von inzwischen fast allen Fraktionen) die Isarpromenade tageweise gänzlich zu einer temporären Fußgängerzone werden. Dabei wird zur “Bespielung” des Areals eine Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteuren wie Isarlust e.V. angestrebt. Dadurch kann die Lebensqualität, welche eine vom Autoverkehr befreite Nutzung des Isarboulevards zum Flanieren und Genießen darstellen würde, ganz sinnlich vor Augen geführt werden.

Boschbrücke; Visualisierung Die Grünen – rosa liste, A. Gregor

Erhardstraße; Visualisierung Die Grünen – rosa liste, A. Gregor

Mut zur Zukunft in der Stadt am Fluss

Bisher hat die Stadt mit ihrem tosenden Verkehr der innerstädtischen Isar gleichsam den Rücken zugekehrt. Durch ein mutiges Vorgehen könnten die Münchnerinnen und Münchner sich auf eine früher übliche, inzwischen fast vergessene Weise ihrem Fluss wieder zuwenden. Dafür braucht es nicht ewige Arbeitskreise, sondern mutige Beschlüsse.

Hic rhodus, hic salta.