Pressegespräch
Das starke Wachstum der vergangenen und kommenden Jahre stellt Stadt und Region vor enorme Herausforderungen, nicht nur beim Thema Wohnen sondern auch beim Thema Mobilität und Verkehr. Die bisherigen verkehrspolitischen Ansätze zielen zwar in die richtige Richtung, aber sie sind für die Zukunft viel zu zaghaft. Nötig sind gezielte und kraftvolle Investitionen in den Öffentlichen Verkehr und den Radverkehr als Rückgrat eines zukunftsfähigen Verkehrssystems.
Nötig sind neue Wege bei der Verknüpfung von Städtebau und Verkehr mit flächensparenden und autoarmen Wohn- und Arbeitskonzepten. Nötig ist die Erleichterung eines urbanen Lebensstils mit der unkomplizierten und flexiblen Nutzung aller Verkehrsmittel des Umweltverbunds als Alternative zum eigenen Auto. Nötig ist die Öffnung der Stadt für neue Mobilitätslösungen wie die flexiblen Car-Sharing und Bikesharingsysteme auf einem ganz anderen Niveau als dem bislang lediglich experimentellen Stadium. Und last but not least brauchen wir eine stärkere und effizientere Verkehrsverwaltung.
Angesichts des alle Prognosen übertreffenden Bevölkerungswachstums stellt sich die Organisation des Verkehrs in der Region München als Aufgabe von unerwarteter Dringlichkeit. Die sich entwickelnde Dynamik wurde dabei lange unterschätzt. Noch 2006 prognostizierten die Bertelsmann-Stiftung und die Stadtverwaltung unabhängig voneinander nur eine Bevölkerungszunahme auf ca. 1,4 Mio. für 2020/2025.
Diese Zahl wurde jedoch schon 2012 überschritten. München ist innerhalb von 4 Jahren um die Bevölkerung einer Großstadt wie Ulm oder Erlangen gewachsen. Jährlich kommen derzeit rund 30.000 Menschen hinzu, die nicht nur Wohnraum benötigen, sondern sich auch fortbewegen wollen. Würde sich das Bevölkerungswachstum auch im gleichen Maße beim Kfz-Verkehr niederschlagen, dann käme der Verkehr in München rasch zum Erliegen. Schon heute merkt man an Tagen mit höherem Verkehrsaufkommen, wie wenige Prozent zusätzlicher Autoverkehr schlagartig zum Zusammenbruch des Verkehrsflusses führt.
Glücklicherweise ist die Autonutzung dennoch zurückgegangen – 16% weniger Autoverkehr als noch vor 10 Jahren strömt in den Bereich innerhalb des Mittleren Rings ein, sogar 50% weniger fahren in den Bereich der Altstadt ein. Diese Entwicklung gilt es zu fördern und fortzuführen. Dass der Zusammenbruch des Kfz-Verkehrs noch die Ausnahme ist, verdankt München dem gut ausgebauten U-Bahn, Bus und Tramsystem, das jedes Jahr neue Fahrgastrekorde vermeldet, sowie der steigenden Fahrradnutzung: Rund zwei Drittel des Verkehrs der Münchnerinnen und Münchner wird mit dem öffentlichen Nahverkehr, zu Fuß oder dem Rad abgewickelt. Dies ist jedoch nicht selbstverständlich und kann rasch kippen, wenn der Ausbau der Infrastruktur für U-Bahn, Bus und Tram sowie für Radfahrer und Fußgänger nicht mit dem Bevölkerungswachstum Schritt hält. Denn niemand fährt freiwillig mit dem Fahrrad oder der U-Bahn, wenn er sich dort unwohl fühlt – das Auto ist nach wie vor eine starke Konkurrenz, wenn die anderen Verkehrsarten nicht durch Attraktivität punkten können. Doch da das Hauptstraßennetz im räumlich begrenzten München kaum noch ausgebaut werden kann, würde wachsender Autoverkehr München erdrücken.
Und eine Zunahme des Kfz-Verkehrs bedeutet nicht nur Zeitverlust und steigende Schadstoffbelastung, sondern gefährdet auch die Lebensqualität und Wirtschaftskraft der Landeshauptstadt. Unser Ziel ist daher die Reduzierung des Autoverkehr-Anteils an allen Wegen von 33% im Jahr 2011 auf 25% bis 2020 und auf 20% in 2030. Realisieren lässt sich das nur, wenn entsprechende Investitionen in den ÖPNV fließen und seine Attraktivität erhöhen. Mit unserem Antragspaket skizzieren wir ein ambitioniertes Programm, mit dem der ÖPNV fit für die Zukunft gemacht wird.
Angebotsverbesserungen:
Kurzfristig realisierbar sind Angebotsverbesserungen für Tram, U-Bahn und Bus. Über 95% der Münchner sollen ein so attraktives Angebot haben, dass sie ohne weiteres auf ein Auto verzichten können. Das bedeutet dass ein dichter Takt auch außerhalb des Berufsverkehrs für möglichst viele Münchner geschaffen werden muss, denn ein 20-Minuten-Takt beim Bus, wie er noch in einigen Stadtteilen existiert, wird niemanden zum Autoverzicht bringen können. Als ersten Erfolg können die Grünen-rosa liste die Einführung des Taktes „10 bis 10“ im Straßenbahnverkehr verbuchen: Ab dem nächsten Fahrplanwechsel (im Dezember 2013) werden alle Trams bis 22.00 h im 10-Minuten-Takt verkehren – als städtisch finanziertes Zusatzangebot.
Ausbau U-Bahn:
Als leistungsfähigstes Nahverkehrsmittel eignet sich die U-Bahn dank hoher Reisegeschwindigkeit besonders zur Erschließung von Wohngebieten, die außerhalb der Innenstadt liegen. Dem dichten U-Bahn-Netz ist es zu verdanken, dass der Münchner Verkehr trotz der hohen Einwohnerdichte noch nicht zusammengebrochen ist.
Doch gerät auch die U-Bahn besonders auf den zentralen Abschnitten der U1/U2 und U3/U6 an die Grenzen der Leistungsfähigkeit. Hier sind intelligente Lösungen gefragt, um die Leistungsfähigkeit auch bei wachsenden Fahrgastzahlen weiterhin sicher zu stellen.
Zudem sollen angesichts der steigenden Bevölkerungsdichte zusätzliche Wohngebiete an dieses attraktive Nahverkehrssystem angeschlossen werden, um noch mehr Autofahrer zum Umstieg auf den Nahverkehr zu bewegen. Sinnvoll sind auch Verlängerungen ins Umland, speziell dort wo es keinen attraktiven S-Bahn-Anschluss gibt.
Ausbau Trambahn:
Für kurze bis mittlere Distanzen ist die Trambahn das ideale Verkehrsmittel. Zudem können neue Tangentialverbindungen kostengünstig geschaffen werden, die die Innenstadtstrecken und Umsteigebahnhöfe entlasten.
Die Trambahn verursacht deutlich geringere Investitions- und Betriebskosten (Faktor 8-10) im Verglich zur U-Bahn und ist damit ein preisgünstiges Verkehrsmittel. In der Regel erfolgt mit dem Bau einer Trambahn insgesamt ein gestalterische Aufwertung und Neuordnung des gesamten Straßenraums. Der direkte Zustieg im Straßenraum spart Zeit. Zudem entfaltet die Trambahn infolge der dichteren Haltestellenabstände eine kleinteiligere Erschließungswirkung.
Erfahrungsgemäß sitzen in einer neuen Tramstrecke, die eine Buslinie ersetzt, bald eineinhalb mal so viel Fahrgäste wie vorher in der Bussen.
Wer soll das bezahlen?
Mit Ausgaben von ca. 150-160 Mio. Euro pro Jahr sind die wesentlichen Projekte und Angebotsverbesserungen innerhalb von 15 Jahren zu finanzieren. Dies entspricht ca. 10 Euro pro Monat und Einwohner oder ca. 7 Litern Sprit pro Einwohner und Monat. Zum Vergleich: Die Münchner geben pro Jahr ca. 2-3 Mrd. Euro für den Kauf von Autos aus, das ist 20 Mal soviel wie diese jährlichen Investitionen in den Nahverkehr.
Zum Vergleich: in den 80er- und 90er-Jahren wurden in München für Investitionen in die U-Bahn und Defizitausgleich inflationsbereinigt 400-500 Mio. Euro pro Jahr ausgegeben. München hat heute jedoch mehr Einwohner, eine höhere Wirtschaftskraft und ist verpflichtet, für die nächste Generation das Nahverkehrssystem sinnvoll weiterzuentwickeln. Vorbild für den Nahverkehrsausbau ist die Ausbauoffensive Erneuerbare Energien der Stadtwerke München, bei der für den Energiesektor bis 2025 sogar 9 Milliarden Euro investiert werden.
Antragsübersicht:
- Antrag I Tramnetz 2015
- Antrag II Qualitätsmanagement für ÖV-Beschleunigung
- Antrag III Task-Force ÖV-Ausbau in der Stadtverwaltung
- Antrag IV Vertiefende Streckenüberprüfungen angehen
- Antrag V Vergleichende Prüfung U-Bahn oder Tram unter neuen Voraussetzungen
- Antrag VI Zusammenarbeit mit Nachbargemeinden
- Antrag VII Weitere Trassen im Nahverkehrsplan sichern
- Antrag VIII S-Bahn-Ausbau beim Freistaat einfordern