Antrag | 30.07.2015

Für eine bessere S-Bahn in München

S-Bahn-Ausschreibung entsprechend gestalten

Der S-Bahn-Verkehr in München ist im zweiten Verkehrsdurchführungsvertrag zwischen Freistaat und der DB enthalten. Dieser Vertrag endet am 31. Dezember 2017. Die nun anstehende Neuausschreibung durch die Bayerische Eisenbahngesellschaft bietet die Chance für grundlegende Verbesserungen.

Wenn das S-Bahn Netz München als Gesamtpaket ausgeschrieben wird, ist die DB als eines von wohl nur ganz wenigen Unternehmen in der Lage, diese umfangreiche Verkehrsleistung zu erbringen. Es kommt daher ganz wesentlich auf die Art der Ausschreibung an, ob hier ein echter Wettbewerb entsteht und in welcher Qualität, Komfort und Pünktlichkeit die S-Bahnen auf viele Jahre hinaus verkehren werden.

Die Grünen wollen:

– eine bestmögliche Ausschreibung, die dem Verkehrsunternehmen maximale Anstrengung zum Wohle der Fahrgäste abverlangt,

– dem Staatsmonopolisten durch Wettbewerb Druck für eine bessere Leistung machen,

– Chancengleichheit für die bietenden Verkehrsunternehmen,

– eine Tariftreueerklärung, die verhindert, dass der Kostendruck auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird,

– dichtere Takte, mehr Langzüge und verbesserte Linienverknüpfungen,

– Defizite bei Pünktlichkeit, Störungsmanagement und Fahrgastinformation beseitigen,

– verbesserte Fahrradmitnahmemöglichkeiten,

– Flexibilität für mögliche nachträgliche Fahrplanausweitungen und Erweiterungen im Schienennetz, insbesondere im Außenbereich, und

– selbstverständlich das Netz in öffentlicher Hand sowie die Tarif- und Vertriebsgestaltung beim MVV belassen.

Derzeitiger Stand

Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) muss die S-Bahnleistungen europaweit öffent-lich ausschreiben. Wie bei jedem Vergabeverfahren hat die BEG nach den europäischen und nationalen vergaberechtlichen Regelungen auch das geplante Verfahren zur S-Bahn Mün-chen in einer Vorinformation im Amtsblatt der Europäischen Union anzukündigen.

Am 10. Oktober 2014 hat die BEG vorinformiert, die Erbringung von SPNV-Leistungen im Netz der S-Bahn München mit einem Umfang von rund ca. 20 Mio. Zugkilometern pro Jahr – „ggf. mit schrittweiser Reduzierung aufgrund der Betriebsaufnahme durch den im anschlie-ßenden wettbewerblichen Vergabeverfahren gefundenen Betreiber“ – vergeben zu wollen. Die Leistungen seien ab dem 1.1.2018 zu erbringen. Die Laufzeit stünde noch nicht fest und hinge voraussichtlich von den „Inbetriebnahmezeitpunkten der im anschließenden wettbe-werblichen Verfahren vergebenen Leistungen der S-Bahn München ab“1.

29.07.2015

Für das eigentliche Vergabeverfahren ist ein Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb geplant. Das geplante Verhandlungsverfahren soll im Jahr 2015 starten2.

Derzeit fährt die S-Bahn München 20,1 Mio. Zugkilometer bzw. 2,5 Mrd. Personenkilometer pro Jahr, das entspricht werktags rund 1.100 Zugfahrten oder 800.000 Fahrgästen. Die S-Bahn München befördert in einem Netz von 434 Kilometern Länge 220 Millionen Fahrgäs-te pro Jahr3. Den voraussichtlichen Umfang der Bestellung beziffert die BEG mit 20 bis 26 Mio. Zugkilometern pro Jahr. Zum Vergleich: In Nürnberg geht es um 7,2 bis 7,3 Mio. Zug-kilometer pro Jahr, verteilt auf zwei Lose. Bayernweit bestellt die BEG 2015 gut 120 Mio. Zugkilometer4.

Eine Betriebsaufnahme in München zum 1.1.2018 ist ausgeschlossen. Im Vergabeverfahren für das S-Bahn-Netz Nürnberg, wo der laufende Vertrag wie in München Ende 2017 ausläuft, wurde der Betriebsstart um ein Jahr auf den Dezember 2018 nach hinten verlegt. In Nürn-berg ist das Vergabeverfahren bis auf die vergaberechtliche Überprüfung abgeschlossen. In München steht es erst am Anfang.

Laut Medienberichten wird mit dem S-Bahn-Betrieb in München ein unternehmerischer Gewinn „im hohen zweistelligen Millionenbereich“5 erwirtschaftet. Ein Teil dieses Gewinns könnte in einem Ausschreibungsverfahren als Effizienzgewinn gehoben und für Angebots-verbesserungen für die Fahrgäste verwendet werden.

Was ist im S-Bahn-Netz München zu verbessern?

Die Münchner S-Bahn leidet unter Engstellen und Zwangspunkten im Netz wie Eingleis-verkehren, Mischverkehren und Fahrstraßenkreuzungen. Diese Infrastrukturmängel beein-trächtigen die Betriebsqualität und lassen keine Fahrplanverdichtungen zu. Das Dogma, dass jede S-Bahn durch den Tunnel fahren muss, überlastet den Tunnel zusätzlich.

Zu den Infrastrukturmängeln gehören u.a. die im 13-Punkte-Sofortprogramm der Staatsregie-rung genannten Maßnahmen sowie der Ausbau der Strecke S 4 und der Strecke Johannes-kirchen – Daglfing. Diese Maßnahmen sind prioritär anzugehen. Zur Finanzierung könnten die Haushaltsreste der nicht verausgabten Regionalisierungsmittel (Kap. 07 07 bzw. 03 67) in Höhe von inzwischen 428,1 Mio. Euro6 mitverwendet werden.

Immer wieder in der Kritik ist die Informationspolitik der S-Bahn München.

Die Platzkapazitäten in den Zügen reichen nicht immer aus.

Freitagnachmittags gibt es keinen 10-Minuten-Takt.

Es existiert außerhalb der Hauptverkehrszeit kein durchgehender 20-Minuten-Takt.

29.07.2015

Was ist bei der Ausschreibung aus grüner Sicht zu berücksichtigen?

– Information, Transparenz, Beteiligung

Der künftige Betreiber muss seine Fahrgäste vor und während der Fahrt umfassend auch auf Basis von Echtzeitdaten in den Fahrzeugen, an den Stationen und über elektronische Auskunftsmedien wie Internet oder mobile Endgeräte informieren.

Die monatlichen Pünktlichkeitswerte der S-Bahn München für die 3- bzw. 6- Minuten Pünktlichkeit werden wie in Stuttgart7 veröffentlicht.

Standorte der Mehrzweck- bzw. Fahrradmitnahmebereiche werden auf den Zugzielanzei-gern am Bahnsteig angezeigt.

Ausgefallene Züge werden veröffentlicht.

Ausgefallene Züge werden nicht nur nicht vergütet, sondern zusätzlich pönalisiert.

Es gibt einen Fahrgastbeirat wie bei der S-Bahn RheinNeckar8.

Es wird eine Fahrplanmitbestimmung bzw. -beteiligung eingeführt. Dazu werden die Fahr-planrohentwürfe in einer frühen Planungsphase zur Fahrgastinformation und zur Abfrage von Fahrgastanregungen ins Internet gestellt.

– Verbesserungen des Fahrten- und Platzangebots und der Radmitnahme.

Der Verkehrsvertrag muss Aussagen zum Platzangebot bzw. Behängungsgrad der Züge machen. Dort, wo die Gleis- und Bahnsteiginfrastruktur dies erlauben, sind in der Haupt-verkehrszeit Langzüge einzusetzen.

Wo werktags der 10-Minuten-Takt angeboten wird, wird dieser auch am Freitagnachmit-tag gefahren.

Außerhalb der Hauptverkehrszeit gilt ein durchgehender 20-Minuten-Takt.

Es gibt Eventualpositionen für unterschiedliche Nachtverkehrsvarianten.

Die Radmitnahmemöglichkeiten sind zu verbessern. Die Sperrzeiten sollten insbesondere für Fahrten entgegen der Lastrichtung überprüft und gegebenenfalls abgeschafft werden. Die Fahrradmitnahme in der Hauptverkehrszeitzeit könnte anstatt über eine Sperrzeit auch über einen höheren Tarif begrenzt werden. Ein Teil der Mehrzweck- bzw. Fahrrad-mitnahmebereiche sind ohne Klappsitze auszustatten, um Konflikte mit Sitzplatzsuchen-den zu vermeiden.

– Schienenersatzverkehr

Es gibt Mindeststandards für die Organisation eines zuverlässigen Schienenersatzver-kehrs bei Betriebsstörungen und baubedingten Streckensperrungen, der u.a. auch mobili-tätseingeschränkten Personen die Weiterfahrt ermöglicht.

29.07.2015

– Soziales / Gute Arbeitsplätze im Nahverkehr

Von den Bietern wird eine Tariftreueerklärung gefordert. Sowohl das Gesetz gegen Wett-bewerbsbeschränkung als auch die Europäische Verordnung 1370/2007 gibt alle Mög-lichkeiten, den sozialen Schutz in einer Ausschreibung zu verlangen.

Die Anbieter müssen eine Ausbildungsquote für Triebfahrzeugführer erfüllen.

– Wettbewerb erfolgreich ermöglichen

Die zu vergebenden Bestellungen sollten mehrere Betriebsstufen aufweisen, um den not-wendigen Infrastrukturausbau zu berücksichtigen. Es gibt eine Loslimitierung. Die Anzahl der Lose, die ein Bieter gewinnen kann, wird begrenzt. Für potenzielle Markteinsteiger ist ein Nettovertrag, bei dem das Erlösrisiko für die Fahrgeldeinnahmen vollständig beim Verkehrsunternehmen liegt, ein nahezu unüberwindbares, da nicht kalkulierbares Markt-eintrittshindernis. Es wird daher ein Bruttoanreizvertrag ausgeschrieben9. Das Erlösrisiko liegt beim Aufgabenträger, der BEG. Über zusätzliche, genau definierte Anreiz-komponenten im Verkehrsvertrag wird das Eisenbahnverkehrsunternehmen an der Nach-frageentwicklung beteiligt. Es wird eine stufenweise Inbetriebnahme vorgesehen. Ein Betreiberwechsel zum Winterfahrplanwechsel ist zu vermeiden10. Neufahrzeuge kosten viel Geld und müssen über Kredite finanziert werden. Die meisten Bieter bekommen bei den Banken aber schlechtere Konditionen als der Marktführer DB als Staatskonzern. Deshalb muss im Interesse eines echten Wettbewerbs bei Ausschreibungen des Freistaa-tes Chancengleichheit hergestellt werden. Das kann mit Kapitaldienstgarantien, mit einem Fahrzeugpool oder durch eine Landesanstalt Schienenfahrzeuge11, die die gewünschten Fahrzeuge kauft und an die Bieter verpachtet, erreicht werden.

Die Modalitäten für Zugnachbestellungen, Taktverdichtungen, Zugverlängerungen usw. werden vorab geklärt.

Die auszuschreibenden Linien sind so zu wählen, dass die Beeinträchtigungen für die Betriebsqualität auf der Stammstrecke und insbesondere im Tunnel minimiert werden. Die Möglichkeiten, Linien oder Taktverdichter vor Einfahrt in den Tunnel enden zu lassen oder über andere Strecken abzuleiten, sind zu prüfen.

1 http://www.ted.europa.eu/udl?uri=TED:NOTICE:344775-2014:TEXT:DE:HTML&src=0

2 http://beg.bahnland-bayern.de/presse/pressemitteilungen/beg-leitet-neuvergabe-der-verkehre-der-s-bahn-muenchen-ein

3 http://www.deutschebahn.com/presse/muenchen/de/hintergrund/die_db_in_der_region/8598146/db_in_oberbayern.html

4 http://beg.bahnland-bayern.de/wettbewerbsprojekte

5 http://www.tz.de/bayern/db-regio-will-moderne-zuege-einsetzen-keine-s-bahn-ausschreibung-3220915.html

6 http://www.orh.bayern.de/media/com_form2content/documents/c6/a398/f36/JB_2015.pdf

7 http://www.s-bahn-stuttgart.de/s_stuttgart/view/puenktlichkeitswerte.shtml

8 http://www.s-bahn-rheinneckar.de/s_rheinneckar/view/wir/fahrgastbeirat.shtml

9 http://www.csu-fridolfing.de/res/pt2014/2014_Huber_MVV_%C3%BCberarbeitet.pdf

10 https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000003000/0000003137.pdf

11 http://mvi.baden-wuerttemberg.de/de/ministerium/presse/pressemitteilung/pid/landtag-macht-weg-frei-fuer-landesanstalt-zur-fahrzeugfinanzierung/